Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Montag, 6. Mai 2024
Düstere Gedanken zum Schwarzen Freitag

Es ist zum Schreien!

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 25.11.2018 | | 2  Archiv

Aber nicht nur das, sondern auch zum Heulen, Sich-An-Die Stirn-Tippen und eigentlich zum Ko***. Sogar vor allem letzteres, denn was da im Vorfeld und am Tag des Black Friday Sale abgeht, ist definitiv nicht „normal” – vielmehr hat man (seit Tagen!) den Eindruck, die ganze Welt sei verrückt geworden. Es kann auch nicht gesund sein, weder fürs Geschäft noch für die Konstitution der Schnäppchenjäger. Und macht definitiv eines nicht: Spaß – mir zumindest nicht, völlig sinnbefreit im virtuellen Tiefpreissumpf nach vermeintlichen Rabattknüllern zu wühlen…

Eigentlich wollte ich Ihnen ja gleich zu Beginn mit einer Zahl imponieren – nämlich jener der eMails in meinem Postfach, deren Inhalt sich auf den Black Friday Sale bezieht. Jetzt, wo ich diese Zeilen schriebe, ist gerade Freitag und der Rausverkaufsirrsinn in vollem Gange – was es mir leider unmöglich macht, die Zahl wie geplant zu nennen, da immer noch laufend neue „Black Friday“-Mails eintrudeln, die ich schön ordentlich in der elektronischen Rundablage sammle, um sie dann in Bälde mit einem gezielten Mausklick allesamt endgültig ins virtuelle Nirwana zu befördern. Es wird mir eine Freude, um nicht zu sagen ein echter Hochgenuss, sein! Achja, die Zahl ist dreistellig, und die 1000er-Marke wird sich definitiv nicht mehr ausgehen… Was aber auch nichts zur Sache tut, denn viel wichtiger ist folgendes: Neben den zig Countdowns und Remindern (als dieser Tag tatsächlich unbemerkt an einem vorbeiziehen könnte…), unzähligen Nachrichten, welcher Anbieter/Hersteller was um minus wieviel Prozent verscherbeln will, und Studien/Umfragen, welche Produkte heuer besonders gefragt sein würden (Elektronik, Mode, Schuhe und Sportartikel – aha, wie aufschlussreich…), finden sich in dieser regelrechten Black Friday Spamlawine auch einige echte „Schmankerl“, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

Falls Sie sich der Hysterie erfolgreich entziehen konnten, hier einige typische eMail-Betreffzeilen, damit Sie wissen, was ich meine – schließlich hat vom Marktforscher über die Preisvergleichsplattform bis hin zum Autofahrerclub jeder ein bisschen von seinem Senf beizusteuern: „Studie: Nachteile für nicht teilnehmende Händler“, „Österreicher wollen heuer knapp 300 Euro ausgeben“, „Das unabhängige Vergleichsportal für Schnäppchenjäger“, „So viel können Konsumenten wirklich sparen“, „Über 240.000 Konsumenten teilen und bewerten die besten Angebote“, „Den Einkauf in Raten zahlen – ohne Zinsen und Gebühren“, „Black-Friday bringt Staus rund um die Einkaufszentren!“, „Web-Shops über Rabatte gewählt“ oder „Insights: Exklusive Einblicke in das Onlinegeschäft“ – und ähnlich gehaltvoll wie die Titel gestalten sich dann auch die dazugehörigen Inhalte der Mails. Man kann sich somit des Eindrucks nicht erwehren, dass das Shopping-Großereignis mit allen Mitteln aufgeblasen werden soll, soweit es nur irgendwie geht – ohne Rücksicht auf Verluste.

Aber bekanntlich ist ja Humor, wenn man trotzdem lacht. Unter diesem Gesichtspunkt habe ich auch einen klaren persönlichen „Favoriten“ unter den „Black Friday“-Mails ausmachen können. „Vorsicht vor Betrügern beim Black Friday Sale“ mahnte Prime Communication PR Consulting in einer Aussendung, die neben den hinlänglich bekannten Tipps (1. Seriöse Händlerseiten besuchen, 2. Nach Gütesiegel suchen, 3. Kundenrezensionen lesen, 4. Sichere Bezahlmethode nutzen, usw.) auch mit folgender Weisheit aufwarten konnte: „Preise vergleichen – Konsumenten sollten bereits im Vorfeld genaue Preisrecherchen zu ihren Wunschartikeln durchführen und den handelsüblichen Verkaufspreis vor der Aktion entsprechend notieren. So können vermeintliche Sonderangebote sorgfältig geprüft und echte attraktive Schnäppchen identifiziert werden.“

Dieser sicher gut gemeinte, wenngleich vielleicht etwas (sehr) zeitaufwändige Ratschlag rief mir den Text „Online einkaufen war gestern. Heute gehen wir echtzeitshoppen“ in Erinnerung, der mir mit dem Beisatz, ihn vielleicht bei Gelegenheit verwenden zu können, übermittelt worden war – nun ist dieser Zeitpunkt gekommen. Denn darin heißt es: Einkaufen war bisher eine mühsame Sache. Egal, ob man einen Duschvorhang brauchte, neue Frühlingssachen oder ein Buch: Man musste sich, statt sich gemütlich aufs Sofa zu lümmeln, spätabends noch an den Computer setzen und Websites durchblättern. Schließlich musste man zahllose Kundenbewertungen miteinander abgleichen, Versandhändler nach Vertrauenswürdigkeit sortieren. Oft war der Preisvergleich schon eine Wissenschaft. (…) Eine komplexe Aufgabe war auch, sich das Ding, das man kaufen wollte, in allen Details auszumalen, allein per Imagination. (…) Nach der Bestellung begann die Phase bangen Wartens. Und der fehlschlagenden Zustellversuche. (…) Hatte man das Paket schließlich von einem Postpartner, Copyshop oder sonst einem zwielichtigen Etablissement in zehn Kilometern Entfernung abgeholt (erst am nächsten Werktag!), ging es mit Auspacken, Anprobieren, Wiedereinpacken, Zur-Post-Fahren und Zurückschicken weiter. Denn als routinierter Konsument hatte man selbstverständlich verschiedene Größen und Farben gleichzeitig bestellt, um die richtige aussuchen zu können. Insgesamt muss man sagen: Es waren mühsame Zeiten.

Doch es gibt für geplagte Konsumenten Licht am Horizont. Ein neues Vertriebsmodell spricht sich herum, das damit lockt, das Einkaufen auf einen Schlag effizienter, bequemer und schneller zu machen. Es eignet sich für beinahe alle Konsumgüter, von Duschvorhängen über Sandalen bis hin zu Büchern und geht so: Spezialisierte Händler sitzen nicht in weit entfernten Logistikzentren, sondern mieten ebenerdige Verkaufsräume in der Nähe. Dort halten sie ähnliche Produkte von verschiedenen Produzenten zur Auswahl bereit. Dies bietet für den Konsumenten ungeahnte Vorteile, denn er kann Produkte, die ihn interessieren, anschauen und miteinander vergleichen. Gleich bezahlen. Und sein Ding sofort mit nach Hause nehmen. So schnell ging das noch nie! Man kann diesen neuen Trend Analogshopping nennen. Stationären Real-Life-Retail. Oder einfach: einen Laden. Ich glaube, das hat Zukunft.

Eigentlich hat diese Kolumne von Sibylle Hamann, die bereits Mitte April in der „Presse“ erschienen ist, nichts Konkretes mit dem Black Friday Sale zu tun – außer, dass sie zeitlos schön ist und daher auch hier ganz vortrefflich passt.

Abschließend noch zwei Aspekte zur Online-Rabattschlacht, die zu denken geben sollten:
Erstens hat die Strategieberatung Oliver Wyman eine Umfrage veröffentlicht, in der es heißt: Jeder zweite Österreicher kauft Artikel auf Vorrat ein. Die Hälfte kauft erst ab mindestens 30 Prozent Rabatt. Erfolg für Händler bleibt aus. Dazu führte einer der Experten des Unternehmens aus: „Händlern, die im großen Stil bei der Rabattschlacht zum Black Friday mitmachen, entgehen zukünftige Umsätze. Es kommt zur Kannibalisierung des Tagesgeschäfts. Gerade zur umsatzstarken Vorweihnachtszeit kann das zu großen Einbußen führen.“
Zweitens hat sich Peter Schnedlitz, Handelsexperte von der WU Wien, im „Standard“ durchaus kritisch geäußert: Heute sei der Schwarze Freitag der Versuch, Kunden zu mobilisieren. „Für den Handel bleibt er aber ein Nullsummenspiel.“ Schnedlitz vergleicht Preisnachlässe mit einer Droge, deren Dosis ständig erhöht werden müsse. „Sie macht Unternehmen kurzfristig high und langfristig krank.“

P.S. Hipp-hipp-Juche, morgen ist Cyber Monday…

Diesen Beitrag teilen

Kommentare (2)

  1. Waren retournieren

    Mein Lieblingsartikel dieser Tage auf ORF:
    „Nach Black Friday: Waren richtig retournieren“.
    Wozu kauf ich den Sch… dann eigentlich?

    Unglaublich diese Welt!!!!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden