Kenne dich selbst
Dominik Schebach
Die Kunst des Krieges, vom chinesischen Staatsmann und Feldherrn Sun Tzu, hat einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal. Zuletzt habe ich den Band wieder einmal zur Hand genommen, um ein wenig darin zu schmökern und darüber zu reflektieren.
Das überraschend schmale Buch findet man heute meistens bei der Managementliteratur. Das mag verwundern, schließlich gilt das Buch als die älteste Abhandlung zur Kriegsführung der Welt. Da beschreibt Sun Tzu warum und wie man seine Strategie plant, die Initiative ergreift, den Gegner täuscht oder auch seine Truppen motiviert und die des Gegners demotiviert. Im Endeffekt lässt sich der Inhalt jedoch auf einen scheinbar einfachen Satz herunterbrechen: Kenne dich selbst und kenne deinen Gegner.
Das Problem ist: Wir scheitern oft schon am ersten Halbsatz. Halt, Moment – wird da so mancher sagen. Ich werde doch noch mich selbst kennen. Darauf kann man in der Regel mit einem klaren „JEIN“ antworten. Denn wer hat sich schon einmal die Mühe gemacht, seinen Wünschen, Vorstellungen, seinem Selbstbild, seiner Motivation aber auch den eigenen Rahmenbedingungen, wirtschaftlichen Zwängen oder Voraussetzungen und schließlich auch Gewohnheiten sowie anderen Grundlagen seiner Persönlichkeit bis ins letzte Detail nachzuspüren. Diese systematisch zu erfassen und zu Papier zu bringen, ist zum Start eine Übung für mehrere Nachmittage und der Grund, warum wir Berater, Psychiater und all jene wertvollen Freunde brauchen, die uns oft einen unangenehmen Spiegel vor die Augen halten. Schließlich kratzt man hier viel zu oft nur ein wenig an der Oberfläche. Das sorgfältig, Schicht für Schicht aufgebaute Selbstbild gibt ja auch Sicherheit im Alltag.
„Erkenne dich selbst“ – das abendländische Gegenstück zum Grundsatz von Sun Tzu, welches schon die griechischen Philosophen ihren Schülern entgegenschleuderten – klingt deswegen auch manchmal recht einschüchternd. Setzt man sich aber nicht ehrlich mit seinen eigenen Voraussetzungen auseinander, dann operiert man unweigerlich mit falschen Prämissen. Und wenn man nicht einmal sich selbst richtig einschätzt, wie kann man dann sein Gegenüber verlässlich beurteilen. Es ist schon klar, dass wir niemals über alle Informationen verfügen werden, um die perfekte Entscheidung zu treffen. Und wir werden auch nicht immer die Zeit haben, alle notwendigen Fakten bis in die letzte Verästelung zusammenzutragen. Daher sollten wir zumindest die Grundlagen geklärt haben. Ansonsten wird jeder Erfolg zum Glückstreffer.
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