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Freitag, 3. Mai 2024
Die Arbeitswelt sortiert sich neu

Sinnstiftend

Hintergrund | Dominik Schebach | 20.02.2022 | Bilder | |  Meinung

Dominik Schebach
Unser Verhältnis zur Arbeit ist etwas schwierig. Einerseits sehnen wir uns nach Freizeit, andererseits definieren wir uns in der Gesellschaft zu einem guten Teil über unsere Erwerbsarbeit. Wir wollen einer interessanten und sinnstiftenden Arbeit nachgehen, die ein gutes Auskommen ermöglicht. Für viele bleibt dieses Ziel allerdings außer Reichweite. Dieses Spannungsverhältnis beschäftigt uns nicht erst seit Corona – aber wie bei so vielen Dingen, wurden auch hier die Bruchlinien durch die Pandemie aufgedeckt.

In diesem Zusammenhang habe ich vor kurzem in der Tageszeitung Der Standard ein interessantes Interview mit dem britischen Anthropologen James Suzman gelesen. Dieser argumentiert, dass die heutige Gesellschaft einerseits viele unnötige Bedürfnisse weckt, andererseits auch unnötige Jobs schafft – und damit auch soziales Prestige verteilt. Gleichzeitig werden wichtige Jobs für die Gesellschaft nicht ausreichend honoriert, womit viele Menschen in den falschen bzw nicht nachhaltigen Jobs landen, während andere Bereiche unterversorgt bleiben. Sprich die Arbeit wird falsch verteilt. Während Derivatenhändler und Abmahn-Anwälte groß abcashen, erhalten Krankenpfleger, Lehrer oder Polizisten gerade eine kleine Anerkennung für ihre Dienste an der Gesellschaft. Seiner Ansicht nach sei deswegen heute die zentrale Frage: Wie können wir unsere Gesellschaft so organisieren, dass mehr gute und weniger schlechte Arbeit verrichtet wird?

Diese Frage ist natürlich nicht nur für uns als Gesellschaft, sondern auch für jeden einzelnen interessant. In der Corona-Krise hatten sehr viele Arbeitnehmer sehr viel Zeit, sich mit genau diesem Problem auseinanderzusetzen. Dabei hat die Pandemie für viele Menschen die Prioritäten neu sortiert: Die Vorstellung davon, was denn nun essenziell, nice to have sowie verzichtbar oder gar Ballast ist, und wie viel ich bereit bin, dafür zu arbeiten, hat sich verschoben. Menschen definieren sich weniger über ihre Arbeit und sie passen ihre Ansprüchen an. Die Konsequenz ist, dass sich viele Menschen derzeit neu orientieren.

Sie haben die von Suzman gestellte Frage für sich beantwortet – und das hat Folgen. In viele Branchen kehren die Mitarbeiter nach der Pandemie nicht zurück. In den USA hat dieses Phänomen bereits einen eigenen Namen erhalten: „The Great Resignation“. Wer kann, der geht – Arbeitnehmer verlassen scharenweise jene Jobs, in denen sie für sich keine Perspektive mehr sehen.

Kampf um Talente

Das spiegelt sich auch z.B. in der „Employee Engagement“-Studie von Great Place to Work wider, für die 14.000 Beschäftigte in 37 Ländern befragt wurden. Demnach sei global nur die Hälfte der Mitarbeiter bei der Arbeit glücklich (die DACH-Region liegt hier mit 53% ziemlich genau im globalen Durchschnitt). Kommt hinzu: Fast die Hälfte der Arbeitnehmer will nicht an ihrem Arbeitsplatz bleiben, noch sind sie dazu bereit ihren gegenwärtigen Arbeitsplatz weiterzuempfehlen. Gute Mitarbeiter zu halten bzw. neue Talente zu finden, wird damit sehr schwer.

Noch krasser wird es bei der Sinnfrage: Demnach können nur vier von zehn befragten Österreichern der Aussage „Meine Arbeit hat für mich besondere Bedeutung und Sinn – sie ist weit mehr als ein ‚Job’.“ zustimmen. Das ist der niedrigste Zustimmungswert in der Befragung.

Das klingt im ersten Moment ziemlich deprimierend, deutet dies doch auf ein tiefsitzendes Problem bei der Verteilung und Wertschätzung von Arbeit hin welches sich wiederum auf die Motivation niederschlägt. Man kann diesen Bericht allerdings auch unter einem positiven Vorzeichen lesen: Denn jene Unternehmen, welche die oben gestellte Frage nach der Verteilung der Arbeit positiv beantworten können, in ihre Mitarbeiter investieren und ihnen eine sinnstiftende Tätigkeit bieten, werden für Arbeitnehmer immer interessant sein. Der Arbeitskräftemangel in der Branche wird damit nicht verschwinden. Wer aber von seinen Mitarbeitern als Unternehmer weiterempfohlen wird, der kann von der höheren Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer nach der Corona-Pandemie nur profitieren.

Bilder
(© Astrid Götze-Happe/pixelio.de)
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