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Freitag, 26. April 2024
Hausgeräte Kommentar E&W 5 – 2022

Des einen Freud‘, des anderen …

Hausgeräte | Stefanie Bruckbauer | 08.05.2022 | Bilder | |  Meinung

Stefanie Bruckbauer
Immer mehr Geräte werden mit Touchdisplays ausgestattet. Und es ist ja auch oft praktisch, sich so einfach durch den Alltag zu wischen. Doch es gibt eine Gruppe von Menschen, für die das eine verdammt große Hürde darstellt.

Wischen, swipen, tippen, ziehen – Smartphones, Tablets, Notebooks, Alarmanlagen, Uhren, Navigationsgeräte und seit einiger Zeit auch Hausgeräte wie Kochfelder, Backöfen, Kühlschränke und Kaffeemaschinen: Immer mehr Geräte werden mit Touchpanels zwecks Bedienung ausgestattet. Es ist ja auch furchtbar bequem, sich einfach so durch den Alltag zu wischen und zu swipen. Selbst im öffentlichen Verkehr begegnen einem Touchscreens – ein paar

Der Münzeinwurf, der Geldscheineinzug, der Kreditkartenschlitz und das Ticket-Ausgabefach sind mit Brailleschrift beschriftet.

Mal mit dem Finger auf den Bildschirm getippt, Geld eingeworfen und schon hält man einen Fahrschein in der Hand.

Letztens bei „meiner“ Badnerbahnstation holte ich mir wischenderweise meinen Fahrschein und nachdem noch Zeit war, bis der Zug kam, sah ich mir den Automaten mal genauer an. Da sah ich, dass der Münzeinwurf, der Geldscheineinzug, der Kreditkartenschlitz und das Ticket-Ausgabefach sogar mit Brailleschrift beschriftet waren – also mit Blindenschrift. Ich dachte mir: „Toll, dass die Badnerbahn-Betreiber auch an Menschen mit Sehbehinderung gedacht bzw. auf diese Rücksicht genommen haben, und die Bezahl- sowie Ticketbezugsmöglichkeiten nicht nur in Schwarzschrift (wie u.a. auch die Schrift der Sehenden genannt wird) beschriften, sondern auch in der erhabenen, mit den Fingern zu lesenden Sechs-Punkte-Schrift.“ Doch WAS sollen die Sehbehinderten eigentlich damit zahlen? Ein Ticket, klar. Aber WIE sollen sie es auswählen? Über den Touchscreen? Da hat wohl einer nicht wirklich weit gedacht, weil WIE soll ein Blinder einen Touchscreen bedienen? Da wurde mir klar, dass die Touch-Technologie für uns Sehende zwar in manchen Bereichen eine wirklich praktische, komfortable Lösung ist, aber für Menschen mit Sehbehinderung eine unüberwindbare Hürde – zum Beispiel auch im Haushalt.

Reizvolles Experiment?

In völliger Dunkelheit zu essen, ist für viele eine besondere Art des Dinners, ein reizvolles Experiment, um den dominanten Sehsinn auszuschalten und sich aufs Schmecken, Riechen, Hören und Fühlen einzulassen. Auf die Idee in völliger Dunkelheit zu kochen, kommt hingegen wohl niemand. Menschen, die blind oder stark sehbehindert sind, müssen aber jeden Tag mit dieser besonderen Herausforderung umgehen. Kaum ein Hersteller hat Herde für diese spezielle Anforderung im Programm (Küppersbusch fällt mir auf die Schnelle als einzige Ausnahme ein). Stattdessen werden immer mehr Kochfelder und Herde nicht mehr mit Knebeln und Knöpfen, sondern mit Touchfeldern ausgestattet.

Genau auf dieses Problem zielt nun der Zusammenschluss der Blinden- und Sehbehindertenverbände in Österreich, Deutschland und der Schweiz ab. Sie wollen unter dem Titel „Home designed for all“ gemeinsam darauf aufmerksam machen, dass Menschen mit Seheinschränkung u.a. durch Touchpads an Herd und Backofen vor große Probleme gestellt werden. Die Verbände bieten Herstellern Beratung an und wollen sie für die Barrierefreiheit von Haushaltsgeräten sensibilisieren.

Wir nehmen unsere Fähigkeit zu sehen als Selbstverständlichkeit an. Für rund 300.000 Menschen in Österreich (und 1,2 Mio. in Deutschland) ist es das nicht – sie sind blind bzw. sehbehindert. Ihnen einen hürdenlosen Haushalts-Alltag zu ermöglichen, sollte genauso am Programm der Hersteller stehen, wie das Erleichtern des Alltags aller nichtbeeinträchtigten Menschen. Bis das in die Köpfe der Verantwortlichen geht, wird allerdings noch viel Zeit vergehen. Aber vielleicht tragen ja Beiträge wie dieser hier dazu bei, die Gesellschaft zumindest ein bisschen aufmerksam zu machen und für dieses Thema zu sensibilisieren.

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