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Mittwoch, 8. Mai 2024
Oesterreichs Energie

Energiekongress: Netze, die geheimen Helden der Energiewende

Energiezukunft | Wolfgang Schalko | 30.09.2022 | |  Veranstaltungen, Wissen
Am 21. und 22. September 2022 widmete sich der Oesterreichs Energie Kongress im Austria Center Vienna der Energiezukunft in Österreich – insbesondere der Frage, wie eine sichere, saubere und leistbare Energieversorgung gelingen kann. Am 21. und 22. September 2022 widmete sich der Oesterreichs Energie Kongress im Austria Center Vienna der Energiezukunft in Österreich – insbesondere der Frage, wie eine sichere, saubere und leistbare Energieversorgung gelingen kann. (© Oesterreichs Energie/Christian Fürthner) Eine zunehmend volatile und dezentrale Erzeugung durch Wind und PV-Anlagen, aber auch deutlich mehr dezentrale Stromverbraucher wie Wärmepumpen und E-Fahrzeuge stellen die Netze vor enorme Herausforderungen. Wie die Netze für die Energiewende fit gemacht werden können, diskutierte eine hochrangig besetzte Runde beim Oesterreichs Energie Kongress 2022, der vorige Woche stattfand.

Keine Energiezukunft ohne starke und leistungsfähige Netze – das war der Grundtenor einer Podiumsdiskussion zur Rolle der Netze im Zuge der Energiewende beim traditionellen, zweitägigen Kongress von Oesterreichs Energie. Aus Sicht von Franz Strempfl, Spartensprecher Netze bei Oesterreichs Energie, sind für den notwendigen Ausbau vor allem drei Kriterien unerlässlich:

  1. Breite Akzeptanz in der Bevölkerung. „Man wird die Kraftwerke und Windräder sehen und man wird die Leitungen sehen“, sagt Strempfl. „Ohne diese Netze werden wir aber keine Energiewende schaffen.“
  2. Ebenfalls erforderlich seien zügige Verfahren, so Strempfl: „Die Steiermark-Leitung hat 20 Jahre gedauert – so kann das nicht funktionieren.“
  3. Als dritten Punkt plädiert Strempfl für eine intelligente Regulierung und verweist auf eine aktuelle Studie von Oesterreichs Energie. Demnach seien die volkswirtschaftlichen Kosten von zu niedrigen Investitionen in die Netze sehr viel höher als jene von zu hohen Investitionen.

Auf die erforderliche Balance in der Regulierung verwies Alfons Haber, Vorstand der E-Control: „Wir brauchen kosteneffiziente Netze, die aber natürlich den Bedarf bewältigen können.“ Diese Balance zu halten sei zunehmend schwierig, so Haber, die Anzahl der Variablen im Energiesystem steige laufend.

Flexible Steuerung sieht Tara Esterl, Head of Competence Unit Integrated Energy Systems, AIT als Möglichkeit, die Anforderungen an die Netze zu reduzieren. Dies gelte vor allem für die unteren Netzebenen. Als Beispiel führte Esterl die E-Mobilität an: „Wenn alle gleichzeitig ihre E-Fahrzeuge laden, dann braucht es noch mehr Netzkapazitäten – durch intelligente Steuerung kann man das aber in den Griff bekommen.“

Klimaneutralität: Neben Technologie soziale Aspekte entscheidend

Eine weitere Podiumsdiskussion widmete sich der Frage, welche Technologien zur Erreichung der klimapolitischen Ziele beitragen können. Michael Strebl, Spartensprecher Handel & Vertrieb bei Oesterreichs Energie und Vorsitzender der Geschäftsführung der Wien Energie, stellte dabei den Plan seines Unternehmens zur Dekarbonisierung der Energieversorgung Wiens bis 2040 vor. Die Steigerung der Energieeffizienz spiele dabei eine entscheidende Rolle. Insgesamt müsse der Energiebedarf um 26 Prozent sinken. „Den bestehenden Verbrauch zu dekarbonisieren ist nicht möglich. So viel Potenzial an erneuerbaren Energien gibt es nicht“, so Strebl.

Überdies werde es notwendig sein, vermehrt Strom auf Basis erneuerbarer Energien einzusetzen, nicht zuletzt in den Bereichen Raumwärme und Verkehr: „Der Strombedarf wird sich um rund 50 Prozent auf 12.000 Gigawattstunden pro Jahr erhöhen.“ Die Wien Energie setze deshalb auf den Ausbau der Photovoltaik, bei der Dekarbonisierung der Fernwärme werde Geothermie erheblich an Bedeutung gewinnen. „Längerfristig könnten etwa 25 bis 30 Prozent des Fernwärmebedarfs mittels Geothermie gedeckt werden“, so Strebl.

Sonja Wogrin, die Leiterin des Instituts für Elektrizitätswirtschaft und Energieinnovation der Technischen Universität Graz, ergänzte, die Dekarbonisierung von Wirtschaft und Gesellschaft sei eine komplexe Aufgabe. Nicht nur müssten Technologie und Infrastruktur im Sinne der Sektorkopplung zusammenspielen: „Das eigentliche Problem sind die sozialen und die politisch-rechtlichen Aspekte der Energiewende. Es hat keinen Sinn, zur Klimaneutralität zu kommen, wenn die Wirtschaft zusammenbricht und die Bevölkerung verarmt. Das ist der Gordische Knoten der Energiewende, den wir lösen müssen.“

Laut Gerd Pollhammer, dem Head of Smart Infrastructure bei der Siemens AG Österreich, entfallen rund 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs in Österreich auf den Gebäudesektor: „Da lässt sich einiges einsparen.“ Dabei datenbasiert vorzugehen, könnte helfen, um das Zusammenspiel der unterschiedlichen Technologien zu optimieren. Siemens habe mit Partnern bei einem Projekt in der Seestadt Aspern acht Jahre lang einschlägige Daten erhoben: „Damit kann man schon etwas anfangen.“

Thomas Kienberger, Head of Chair of Energy Network Technology, Head of NEFI_Lab der Montanuniversität Leoben, plädierte für „integriertes Denken. Nur damit wird es gelingen, die Effizienzvorteile zu realisieren, die die verfügbaren Technologien bieten“. Wichtig sei ferner, neue Technologien im Feld auszurollen, um sie optimieren zu können. Die große Frage sei letztlich „die Gestaltung des integrierten Energiemarktes der Zukunft“.

100 Milliarden Euro für Erneuerbare bis 2040

Darüber hinaus wurde klar gestellt: Die heimische Energiebranche ist bereit für Rekord-Investitionen, fordert aber geeignete Rahmenbedingungen – keine Energiezukunft ohne Länder und Gemeinden.

„Ambitionierte Ziele brauchen innovative und mutige Wege“ – mit diesen Worten forderte Karl Heinz Gruber, Spartensprecher Erzeugung bei Oesterreichs Energie und Geschäftsführer der Verbund Hydro Power GmbH geeignete Rahmenbedingungen für den Erneuerbaren-Ausbau in Österreich. „Bis 2040 brauchen wir 100 Milliarden Euro allein für die Erzeugung“, rechnete Gruber vor. „Die Branche kann das bewältigen, aber nur wenn die Politik mitzieht.“ Generell, so Gruber, sei die Energiewende schon absolviert – jetzt müsse Österreich entschlossen die Energiezukunft vorantreiben. Die Etappen dabei: Eine Verdopplung der Stromerzeugung bis 2040 und eine Verdreifachung der Leistung gegenüber heute.

Ein klares Bekenntnis zu „go to areas“ für einen beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau kam von Rupert Dworak, dem Vizepräsidenten des Österreichischen Gemeindebundes: „Je mehr Zonen wir haben, desto besser ist es.“ Kritik an einzelnen Bundesländern übte Martina Prechtl-Grundnig, Geschäftsführerin des Dachverbands Erneuerbare Energie Österreich. „Ja, es gibt genug Lippenbekenntnisse. Wenn man sich aber ansieht, was konkret auf dem Tisch liegt, schaut es schon anders aus.“ Es könne nicht sein, dass etwa einzelne Bundesländer Windräder schlichtweg ablehnen würden. „Ohne Bundesländer keine Energiezukunft“, so Prechts-Grundnig. „Es wird höchste Zeit, dass alle Bundesländer an Bord kommen.“

Ein Bekenntnis zum Erneuerbaren-Ausbau angesichts der „ernsthaften Energiekrise“ kam von Jürgen Streitner, Abteilungsleiter Umwelt- und Energiepolitik bei der Wirtschaftskammer Österreich. „Die Preise müssen runter, es geht um den Wirtschaftsstandort“, sagte Streitner. „Der Ausbau von Wind, Wasser und Photovoltaik bringt natürlich keine rasche Abhilfe – umso mehr müssen wir Tempo reinbringen.“ Kritisch sieht Streitner einzelne Punkte der UVP-Novelle: „Einzelne Genehmigungskriterien schaffen eher Rechtsunsicherheit, als dass sie rasche Lösungen bringen.“

Vier Handlungsfelder für einen nachhaltigen Erneuerbaren-Ausbau ortete Gerhard Marterbauer, Industry Leader Energy, Resources & Industrials bei Deloitte Österreich:

  1. Verbindliche Ziele
  2. Gesamthafte Betrachtung von Klimastrategie und Energieeffizienz
  3. Minimierung des Investitionsrisikos für Unternehmen
  4. Abgestimmte, internationale Vorgangsweise.
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