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Freitag, 26. April 2024
Recht im Handel – Handeln im Recht

Die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 2022

Dr. Nina Ollinger | 09.10.2022 | |  
Nun ist sie also da, nach einer langen Zeit der Evaluierung: die neue Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung 2022 (VO (EU) 2022/720). Die grundsätzlichen Rahmenbedingungen der Verordnung sind gleich geblieben. Die Vertikal GVO stellt Vereinbarungen frei, die vertikal, dh zwischen Nichtwettbewerbern, geschlossen werden, sofern diese Unternehmen maximal 30% Marktanteil haben und keine sogenannten Kernbeschränkungen enthalten. Die klassische Kernbeschränkung sind Preisvorgaben, die nach wie vor dazu führen, dass eine Vereinbarung kartellrechtswidrig und damit nichtig ist.

Gleich vorweg: Wer sich nicht an die Vorgaben hält, riskiert Strafen von bis zu 10% des Jahresumsatzes, wenn ein kartellrechtliches Verfahren zu führen ist. Anzeigen an die Wettbewerbsbehörde durch Wettbewerber stellen hier die größte Gefahr dar.

Zu den Neuerungen zählt etwa, dass Online-Vermittlungsdienste nun auch unter den Begriff „Anbieter“ fallen; klargestellt wird – wenngleich das wohl nachvollziehbar sein sollte – dass solche Unternehmen im Allgemeinen als unabhängige Wirtschaftsteilnehmer agieren und nicht als Teil der Unternehmen, für die sie Dienstleistungen erbringen. Verträge dieser Art können daher nicht als Handelsvertreterverträge an-gesehen werden und werden somit auch nicht kartellrechtlich begünstigt.

Die Definition des Alleinvertriebssystems hat sich auch etwas verändert; nach wie vor handelt es sich um Vertriebssysteme, in denen ein Gebiet oder eine Kundengruppe zugewiesen wird, entweder weist sich der Anbieter diese sich selbst zu oder – nunmehr – höchstens fünf Abnehmern. Nach wie vor wird unterschieden zwischen dem aktiven Verkauf, bezüglich dessen Beschränkungen auferlegt werden dürfen und dem passiven Verkauf, der nicht beschränkt werden darf.

Kartellrechtlich relevant ist auch das Thema Informationsaustausch, wobei klargestellt wird, welche Informationen ausgetauscht werden dürfen, wenngleich dies den bisherigen Regelungen folgt: aggregierte Informationen sind im Regelfall unbedenklich, auch Höchstpreise und unverbindliche Preisempfehlungen dürfen ausgetauscht werden, sofern der Abnehmer nicht an einen bestimmten Preis gebunden wird. Informationen zur Lieferung, Information zu Produkten, Lagerbestand, Vorträge, Verkaufsmengen und Retouren sowie technische Informationen dürfen im Regelfall ebenfalls ausgetauscht werden.

Klargestellt ist mittlerweile, dass ein Verbot der Nutzung von Preisvergleichsdiensten eine Kernbeschränkung darstellt, dh diese Dienste dürfen nicht verboten werden. Im Sinne der bisherigen Regelungen dürfen aber auch diesbezüglich Qualitätsstandards, die erfüllt werden müssen, vorgegeben werden.

Klargestellt ist nun auch, dass Doppelpreissysteme zulässig sein können und nicht mehr notwendigerweise als Kernbeschränkung gewertet werden. Unter Doppelpreissystemen versteht man unterschiedliche Preise für den Off- und Onlineverkauf. Anbieter dürfen daher unterschiedliche Preise für Online- und Offline-Verkäufe in Rechnung stellen. Dadurch dürfen aber grenzüberschreitende Verkäufe oder auch die effektive Nutzung des Internets für den Online Verkauf nicht unrentabel oder finanziell untragbar gemacht werden. Die Unterschiede in den Preisen müssen die Relation zum Unterschied der Vertriebskosten und Investitionen der unterschiedlichen Vertriebskanäle widerspiegeln.

Onlineshops sehen ja bisweilen unterschiedliche Sprachoptionen vor. Werden Sprachen vorgesehen, die im Gebiet des Händlers nicht gesprochen werden, so stellt dies nunmehr im Regelfall eine Form des aktiven Verkaufs dar. Somit können im Umkehrschluss, da aktive Verkäufe beschränkt werden können, Sprachoptionen in Bezug auf den Onlineshop vorgesehen werden.

Neu ist auch, dass Wettbewerbsverbote über die bisherigen fünf Jahre hinaus gültig sind, wenn sie stillschweigend über diesen Zeitraum hinaus verlängert werden können, sofern der Abnehmer eine angemessene Kündigungsfrist zur Verfügung hat bzw zu angemessenen Kosten seinen Vertrag neu aushandeln bzw nach Ablauf der Fünfjahresfrist den Anbieter auch tatsächlich wechseln kann.

RA Dr. Nina Ollinger, LL.M
02231 / 22365
office@ra-ollinger.at
www.ra-ollinger.at

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