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Freitag, 26. April 2024
Telekom-Kommentar E12/2022

Kennen Sie Zhengzhou?

Telekom | Dominik Schebach | 11.12.2022 | Bilder | |  Meinung
Also Hand aufs Herz, kennen Sie diese Stadt? Ich muss zugeben, bis vor kurzem kannte ich diese für dortige Verhältnisse kleinere Millionenstadt (gerade einmal 4,5 Millionen Einwohner) in Nordchina auch nicht. Jetzt ist die Stadt wegen des dort beheimateten iPhone-Werkes von Apple-Zulieferer Foxconn bei mir auf der Landkarte verankert. Und auch Sie sollten sich den Namen merken.

Das Werk, mit rund 200.000 kasernierten Beschäftigten eine Stadt für sich und der größte Foxconn-Standort in China, hat es Ende Oktober in die Nachrichten geschafft. Damals versuchten hunderte Menschen offensichtlich aus dem Foxconn-Werk zu fliehen. Laut Berichten der Nachrichtenagentur Reuters war der Auslöser ein Corona-Ausbruch. Die Beschäftigten versuchten dem drakonischen Lockdown mit Reiseverboten, Zwangsisolation und Massentests zu entkommen, den die lokalen Behörden in solchen Fällen zu verhängen pflegen. Und seither kommt der Standort anscheinend nicht zur Ruhe. In den internationalen Medien tauchen immer wieder kurze Berichte von Unruhen, Protesten und Polizeieinsätzen in Zhengzhou auf, welche sich wiederum auf Social Media-Accounts und Augenzeugen stützen.

Eine offizielle Bestätigung gibt es selten. Die chinesische Zensur hält den Daumen drauf und Foxconn selbst hat nur mit einem dürren Presse-Statement auf die Unruhen in seinem Werk reagiert – ein Werk, in dem rund 70 % aller iPhones hergestellt werden. D.h., jetzt vielleicht nicht mehr. Damit zeigt sich wieder einmal, dass selbst punktuelle Ereignisse auf der anderen Seite der Erde weitreichende Auswirkungen hier zu Lande haben können. Zumal, wenn diese unmittelbar vor Weihnachten stattfinden. Insofern ist die Foxconn-Fabrik in Zhengzhou das perfekte Studienobjekt für die Globalisierung – und die Probleme, welche damit einhergehen. Die Idee der internationalen Arbeitsteilung ist unter Idealbedingungen durchaus bestechend. Jede Region nutzt  ihre Stärken, um auf dem globalen Markt ihre Waren zu vertreiben. Das sorgt für einen effizienten Mitteleinsatz und kostengünstige Produkte für die Konsumenten. Für Excelsheet-Warriors, die nur die Zahlen im Blick haben, ist das ein Traum.

Leider funktioniert das System nur so lange, wie alle Zahnräder in der internationalen Lieferkette ungestört ineinandergreifen. Kommt Sand ins Getriebe, steht das gesamte Werkel, weil durch die übermäßige Konzentration auf die effizientesten Standorte andere Alternativen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ganz so schlimm ist es im Falle von Apple nicht. Der Konzern ist unter dem Druck der Ereignisse in den vergangenen Jahren schon länger dabei, alternative Produktionsstandorte in Südost-Asien und Indien aufzubauen. Der Produktionspartner ist dabei übrigens wieder Foxconn. Trotzdem hat sich Apple von der Volksrepublik China abhängig gemacht – und Abhängigkeiten sind auf Dauer nie gut – weder für einzelne Hersteller noch für ganze Volkswirtschaften. Ein „ineffizienter“ zweiter Standort kann da schon einmal zur Lebensversicherung werden.

Ergänzung: Unmittelbar vor Redaktionsschluss zu dieser Ausgabe hat die chinesische Regierung ein „vorsichtiges“ Abgehen von ihrer Covid-Politik angekündigt. Ob damit auch die Verwerfungen in der iPhone-Produktion ihr Ende haben, muss sich erst zeigen.

 

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