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Freitag, 26. April 2024
Gedanken zum „Earth Day”

Sein oder Schein?

Über den Rand | Wolfgang Schalko | 23.04.2023 | Bilder | |  Meinung
(© earthday.org) Gestern, am 22. April, war der diesjährige Tag der Erde – eng. „Earth Day”. Dieser soll das Bewusstsein für die Umwelt schärfen und zum Überdenken des Konsumverhaltens anregen. Und obwohl die Thematik aktueller ist denn je, blieb es – abgesehen von den Naturschutzorganisationen – erstaunlich ruhig. Warum eigentlich?

Man muss kein „Öko-Freak”, „Natur-Fundi” oder Anhänger „grüner” Ideen sein, sondern im Grunde nur einigermaßen vernunftbegabt, um zu verstehen, dass es in zivilisatorischer Hinsicht nicht zielführend sein kann, wenn wir unseren Planten – immerhin unser aller Lebensgrundlage – an den Rand des klimatischen Exodus bringen. Da die Bedeutung und Dringlichkeit der Thematik – Stichwort Klimakrise – mittlerweile hinlänglich bekannt ist, hätte ich damit gerechnet, dass mein eMail-Postfach anlässlich des gestrigen Earth Day sprichwörtlich überquillt mit einschlägigen Mails. Aber: Fehlanzeige – gerade einmal eine handvoll war’s, und da sind die Aussendungen von WWF und GLOBAL200 schon mitgerechnet. Gut, es mag sein dass ein gar nicht unbeträchtlicher Teil der Bevölkerung von der Thematik einfach nichts (mehr) hören will. Trotzdem gibt es dazu noch jede Menge zu sagen – gerade weil es 5 vor 12 ist (vielleicht auch schon ein bisschen später).

Menschen tendieren zum Scheinklimaschutz – dh Maßnahmen, die nicht „weh tun”, aber leider auch nicht viel bringen. An die Schmerzgrenzen gehen die Wenigsten. (©Th.Brudermann)

Sehr plakativ und der erforderlichen Dringlichkeit des Handelns entsprechend sorgen die Aktivisten der „Letzten Generation” für erhöhte Aufmerksamkeit für den Klimawandel – geben der Thematik jedoch den völlig falschen „Spin”. Anstatt möglichst viele Menschen mitzunehmen, formiert sich (teils fundamentaler) Wiederstand gegen die Klimabewegung und ihre Anliegen – mit fatalen Folgen, denn das kostet Zeit. Zeit die wir nicht haben. Das erinnert mich an die Worte vom Vorstand des Bundesverband Photovoltaic Austria, Herbert Paierl, der im Rahmen des PV-Kongresses zur Fördersituation in Österreich meinte: „Es ist unverständlich, dass so viel Geld in die Branche gepumpt wird und die kolportierte Unzufriedenheit dennoch enorm ist.“ So ähnlich kommt es mir mit der Klimadebatte vor: Das essenziellste Thema unserer Zeit tangiert erschreckend viele Menschen nur periphär – oder salopp formuliert: Es geht ihnen am A… vorbei. Und das, wo das artverwandte Thema Energie seit Monaten omnipräsent ist…

Gerade an Aktionstagen wie dem Earth Day kommen mir dann diverse Gedanken zur Thematik in den Sinn. Besonderen Eindruck hat bei mir dahingehend Reinhard Steurer, Professor an der Universität für Bodenkultur, hinterlassen, der – ebenfalls beim PV-Kongress – einen Vortrag mit dem Titel „Bestandsaufnahme zur Klimakrise: Wo stehen wir, warum ist das so und wie können wir das ändern?“ hielt. Der Experte lieferte zum einen höchst beunruhige Fakten: Aus heutiger Sicht steuern wir, bedingt u.a. von der extrem steigenden CO2- und Methan-Konzentration, auf eine Erderwärmung von 2,5 bis 2,7°C zu, was „katastrophale Auswirkungen” hätte – die Menschheit würde dieses Szenario zwar überleben, an eine Zivilisation in der heutigen Form sei dabei aber nicht mehr zu denken. Andererseits erläuterte er, dass die Klimakrise nicht allein mit Erneuerbaren Energien und auch nicht allein mit Technik gelöst werden könne, sondern dass es ein Umdenken in vielen Bereichen brauche. Manche davon sind leichter umzusetzen, wie etwa Mülltrennen oder Wassersparen, manche bedeutend schwieriger, wie autofrei oder vegetarisch zu leben (siehe Grafik). Tempo 80 auf Landstraßen und 100 auf Autobahnen wäre aus Steurers übrigens höchst effizient, weil rasch umsetzbar, billig und sehr wirkungsvoll.
Als vielleicht massivstes Problem nannte der Experte den „Scheinklimaschutz” – international, national, auf Gemeinde- und auch persönlicher Ebene gelte es, das „So-tun-als-ob” zu überwinden und beim Thema Klimanotstand – denn das sei es bereits – „endlich erwachsen” zu werden. Sein Satz, dass in 20 Jahren vermutlich endlich alle verstanden haben würden, wovon wir heute geredet haben, will mir jedenfalls nicht mehr aus dem Kopf. Denn anders als heute (noch) werde in 20 Jahren vieles nicht mehr umkehrbar sein. In Anbetracht dessen wäre mediales Getöse anlässlich des Earth Day durchaus wünschenswert und definitiv angebracht gewesen.

Bilder
(© earthday.org)
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