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Sonntag, 12. Mai 2024
„Vor allem im Non-Food-Handel sind die jüngsten Zahlen besorgniserregend“

HV: Kaufkraftverlust lässt Handelsumsätze im 1. HJ einbrechen

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 06.09.2023 | | 4  
Wie der Handelsverband informiert, musste der österreichische Handel im zweiten Quartal 2023 laut Statistik Austria einen inflationsbereinigten Umsatzrückgang von -3,9% verkraften. Im Lebensmitteleinzelhandel liegt das Minus bei -1,6%, im Großhandel bei -5,9% und der Handel mit Nicht-Nahrungsmitteln verbuchte ein reales Minus von -6,4%. „Der preisbereinigte Halbjahresvergleich 2023 (vs. 1. HJ 2022) zeigt für den gesamten Handel einen Umsatzeinbruch von -3,4%“, so HV-GF Rainer Will.

„Der Handel verzeichnete heuer im zweiten Quartal in fast allen Warengruppen starke Verluste aufgrund der multiplen Krisen, die einen heftigen Kaufkraftrückgang ausgelöst haben. Vor allem im Non-Food-Handel sind die jüngsten Zahlen besorgniserregend, die Umsätze sind um 6,4% regelrecht erodiert„, bilanziert Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

„Im Lebensmitteleinzelhandel zeigt das Minus von 1,6% deutlich, dass sich drei Viertel aller Menschen inflationsbedingt auf den Kauf günstiger Lebensmittel beschränken. Krisengewinner sucht man im österreichischen Handel vergeblich, fündig wird man hingegen bei den Energiekonzernen und globalen Nahrungsmittelproduzenten“, so Will weiter.

Handel in der Krise

Die neuesten Zahlen der Statistik Austria und des Kreditschutzverbandes 1870 würden die herausfordernde Lage im Handel bestätigen. „Allein in den ersten sechs Monaten des heurigen Jahres mussten im Einzelhandel 6.400 Betriebe schließen, eine Steigerung von +141%. Für die gesamte Branche ist das ein Kahlschlag sondergleichen“, so der HV GF.

Die Herausforderungen werden sich im zweiten Halbjahr laut Handelsverband noch verstärken – „sollte die verfügbare Kaufkraft weiter sinken und die exorbitante Steigerung bei den Fremdkapitalzinsen und Mietkosten anhalten.“ Das belege auch die jüngste Konsumentenbefragung des Handelsverbandes:

  • 65% der Österreicher fühlen sich finanziell gestresst
  • 63% haben ihre Haushaltsausgaben im Handel eingeschränkt
  • 77% kaufen verstärkt günstige Lebensmittel & Eigenmarken
  • 19% müssen sich auf den Kauf lebensnotwendiger Güter beschränken
  • 16% können zurzeit nicht alle Schulden ordnungsgemäß bedienen
  • 12% können nicht alle eingehenden Rechnungen bezahlen

Beschäftigungsdynamik schwächt sich ab – 20.000 offene Stellen

Gleichzeitig können im Handel zurzeit mehr als 20.000 Jobs nicht zeitnah besetzt werden. „Der heimische Einzelhandel bietet beispielsweise zurzeit rund 14.700 offene Stellen – teilweise mit deutlicher Überzahlung – an“, berichtet Will.

Positiv: Stimmung der Konsumenten verbessert sich

Positiv ist: „Im Sommer hat sich die Stimmung der Konsumenten sichtlich gebessert. So ist das allgemeine Zukunftsvertrauen im August laut HV-Konsumbarometer den dritten Monat in Folge gestiegen. Auch die Einkommenserwartung für die nächsten Monate hat sich leicht verbessert. Den Höhepunkt der Inflation sieht die Bevölkerung überschritten: Inzwischen rechnet eine deutliche Mehrheit der Befragten nur noch mit leicht steigenden bis gleichbleibenden Preisen“, sagt Will.

In der Folge habe sich auch die Konsumneigung zuletzt wieder verbessert – von einem sehr niedrigen Niveau ausgehend: „Sagten im Mai noch 68% der Befragten, sie hätten ihre Ausgaben im Handel in den letzten Wochen eingeschränkt, waren es im August nur noch 63%“, so der HV.

Vom Ausgabenverzicht am stärksten betroffen sind weiterhin die Branchen Möbel, Uhren/Schmuck und Bekleidung. Am wenigsten gespart wird laut Eigenangaben bei Drogeriewaren/Hygieneprodukten und Bio-Lebensmitteln.

Ausgaben verlagern sich vom Handel auf Dienstleistungen

Die österreichischen Dienstleistungsunternehmen haben im 1. Halbjahr 2023 laut Statistik Austria übrigens ein sattes Umsatzplus von 8,7% im Vergleich zum gleichen Zeitraum des Vorjahres erwirtschaftet. Das geht v.a. auf einen Umsatzzuwachs von +21,3% im Bereich Beherbergung und Gastronomie zurück. Bereits im Gesamtjahr 2022 waren die Ausgaben für Dienstleistungen laut Kreutzer Fischer Partner sprunghaft um +20,8% angestiegen. Davon entfielen auf die Gastronomie Mehrausgaben von 4,1 Mrd. Euro (+ 41,3%), auf Urlaube 3,6 Mrd. Euro (+60,5%) und auf die Freizeitgestaltung 2,3 Mrd. Euro (+27%). Will sagt: „Der Handel ist also aufgrund der Inflation nicht nur mit einer schwächelnden Nachfrage konfrontiert, sondern zusätzlich mit einer verstärkten Konkurrenz durch den Freizeitsektor. Der Handelsverband fordert angesichts der multiplen Herausforderungen von der Bundesregierung erneut eine Zukunftsagenda für den Handel, die mit einer Deregulierungsoffensive einhergehen muss.“

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Kommentare (4)

  1. Ich glaube bei dem Wort Handel muß man aufpassen, als 3 Mannbetrieb mit Frau bin ich ein Handel und der OBI oder XXXlutz mit samt Medianer sind auch Handel. Ich würde meinen, je kleiner der Betrieb um so mehr Serviceleistung steht hinter dem Betrieb.

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  2. Die Industrie interessiert ausschließlich Stückzahlen und Marktanteile, ob der Envernraucher das für ihn geeignetste bekommt, ist egal – gekauft ist gekauft. 2 besonders Schlaue betreiben seit einiger Zeit je einen Shop in der SCS. Ich bin wöchentlich dort und habe noch nie einen Kunden in den beiden Shops gesehen. Das dort verbrannte Geld wäre als Unterstützung für den qualitativen stationären Handel wohl besser angelegt…….

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    1. Der stationäre Handel ist auch nicht unschuldig an der Situation. Andere Händler etablieren sich, weil sie etwas anders, oder sogar besser machen und darauf gilt es Antworten zu finden. Ist ja nicht so, dass es dem gesamten stationären Handel schlecht geht, da gibt es sehr sehr viele gute Händler. Kleineren Lieferanten die eventuell einen neuen Weg gehen, zeigen viele Händler einfach die kalte Schulter, halten dann damit an den Strukturen fest die sie auf der anderen Seite kritisieren. Der Handel ist das Gesicht für Innovationen, abgelutschte Dinge an denen man festhält, die findet man eben an jeder Straßenecke und zu jedem Preis. In einem Geschäft will ich persönlich nicht alleine ein 08/15 Sortiment, sondern eine Ecke wo Innovationen, Neuigkeiten, vielleicht auch freche und außergewöhnliche Produkte sind.
      Sich über die böse Industrie aufzuregen, die natürlich ihr Programm fährt wird nichts ändern, alleine der stationäre Fachhändler hat es in der Hand. Der Preis ist nur dann ein Thema, wenn ich vergleichbar in meiner Leistung bin und sonst nichts anderes beizutragen habe. Preis ist kein Thema, wenn ich mich abheben kann und den Kunden begeistere und es zum Preisgespräch erst am Schluss kommt, wenn überhaupt.

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  3. Für den stationären Handel wird nur mehr die Dienstleistung übrig bleiben, solange die Preise für den Internethandel besser sind.
    Mir scheint die Industrie will den stationären Handel nicht mehr, zu sehen an den diversen Aktionen mit den Registrierungen der Endkunden.
    Nicht selten ist der Einkaufspreis für Händler gleich dem Internetpreis.

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