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Donnerstag, 2. Mai 2024
Bumerang

Strategische Inkompetenz und ihre Folgen

Hintergrund | Dominik Schebach | 29.10.2023 | Bilder | |  Meinung
(© Rike/pixelio.de) Wer kennt die Situation nicht. Ein Kollege stellt sich bei der Erledigung einer Aufgabe als so unfähig an, dass man die Arbeit selbst übernimmt. Wer jetzt den Verdacht hat, dass dahinter Absicht steckt, sollte sich nun mit dem Begriff der „Strategischen Inkompetenz“ anfreunden. Denn wenn Menschen so tun, als seien sie unfähig eine Aufgabe zu erledigen, wollen sie oft eine Aufgabe einfach auf andere abwälzen. Während wir allerdings dieses Verhalten bei anderen schnell bemerken, sollten wir uns selbst nicht vergessen. 

Gestolpert bin ich über den Begriff der strategischen Inkompetenz in einem Beitrag von National Geographic. Dort hat er meine Aufmerksamkeit ob seines ihm innewohnenden Widerspruchs gleich einmal gefesselt. Schließlich ist eine Strategie eine Anleitung zum umfassenden zielgerichteten Handeln zum Erreichen eines höheren Ziels. Inkompetenz wiederum hindert den Handelnden, seine selbst gesteckten oder vorgegebenen Ziele auch zu erreichen.

Der Widerspruch löste sich dann auch sehr schnell auf: Nach den Recherchen der Kollegen wurde der Begriff erstmals in einem Bericht des Wall Street Journal im Jahr 2007 benutzt. Darin beschrieb Journalist Jared Sandberg, wie Mitarbeiter großer Firmen diese Vorgehensweise anwenden, um scheinbar unwichtige oder unangenehme Tätigkeiten auf andere abzuwälzen. Dabei wurde die strategische Inkompetenz laut Sandberg oft gezielt – und beinahe klischeehaft – eingesetzt: Männer, die kein Firmenpicknick planen können, neue Mitarbeiter, welche nicht mit dem Kopiergerät umgehen können und deswegen diese Aufgabe an die Sekretärin abschieben, oder Ältere, die sich nicht mit neuem technischen Equipment auskennen wollen.

„Bei der strategischen Inkompetenz geht es nicht um eine Strategie, die scheitert, sondern um ein Scheitern, das erfolgreich ist“, schieb Sandberg. Denn das Ziel sei meist, Arbeit, die man nicht machen will, auf andere abzuwälzen, ohne das konkret zugeben zu müssen. Damit ist strategische Inkompetenz eine eingängige Phrase für ein bekanntes Phänomen: Man drückt sich vor ungeliebten Tätigkeiten.

Wo die Meinungen auseinandergehen, ist bei der Frage, ob hinter dieser strategischen Inkompetenz immer böse Absicht steckt. Denn manchmal sei es einfach Gewohnheit, wie Psychotherapeutin Nadine Rheindorf in einem Interview mit der Zeit sagte:  „Oft ist es erlerntes Verhalten, das man gar nicht unbedingt reflektiert.“

Sprich, weil man es gelernt hat und weil das Verhalten erfolgreich war, wird die Vorgehensweise immer wieder wiederholt. Und weil es eine „Strategie“ ist, wird diese leicht zur Grundlage des eigenen Handels. Man könnte auch sagen, man richtet es sich in der vorgeschobenen Unfähigkeit gemütlich ein. Ein Gegenmittel gegen die strategische Inkompetenz sei deswegen laut Rheindorf, dass man die Vorgehensweise als erstes einmal als solche erkennt – bei anderen, aber auch bei sich selbst.

Und das ist ein Aspekt, der meiner Meinung nach nur zu leicht unter den Tisch fällt. Denn strategische Inkompetenz hat auch viele Schattenseiten: Mag sein, dass man sich damit hin und wieder um eine ungeliebte Tätigkeit herumdrücken kann. Langfristig vergiftet dieses Verhalten das Klima – sowohl im Privatleben als auch im Team am Arbeitsplatz. Und man sollte sich bewusst sein, dass zwar die meisten Menschen des lieben Friedens will sehr langmütig sind, diese Strategie auf Dauer sehr wohl durchschauen. Irgendwann läuft das Fass über und dann reicht es nicht mehr, dass man in seinem angestammten Kerngebiet vielleicht sehr gut ist. Der aufgestaute Frust entlädt sich kumulativ.

Neben diesen eher spektakulären Folgen gibt es aber auch eine schleichende Wirkung. Denn wer sich als Meister der strategischen Inkompetenz gebiert, dem werden auch keine neuen Aufgaben übertragen, bzw. man traut demjenigen auch immer weniger zu – weswegen man sich über kurz oder lang auf dem Abstellgleis wiederfindet.

Schließlich hindert die „strategische Inkompetenz“ aber auch die eigene Weiterentwicklung. Wer seine eigene Unfähigkeit gezielt vorschiebt, tut das in der Regel nicht, um sich für andere Tätigkeiten freizuspielen. Oft will man einfach das Stigma eines Fehlschlags vermeiden. Wer allerdings das eigene Scheitern von vornherein ausschließt, wird langfristig auch keine neuen Erfolge feiern.

Wenn man also das nächste Mal seine strategische Inkompetenz vorschiebt, um sich vor einer ungeliebten Tätigkeit zu drücken, sollte man sich der möglichen Auswirkungen bewusst sein. Denn sonst wird die strategische Inkompetenz über kurz oder lang zu einem gewaltigen Bumerang.

Bilder
(© Rike/pixelio.de)
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