„Übergewinnsteuer”: Vom Zufall und den Falschen
Matthias Rötzer und im Hintergrund die vier Windräder à 600 kW, die seit 2000 im niederösterreichischen Stockerau laufen. Die Energiekrise hat die Preise für Kunden regelrecht explodieren lassen – und die Gewinne der Energieversorger ebenso. Als probates Gegenmittel hat die Bundesregierung den Energiekrisenbeitrag-Strom (EKBS) – besser bekannt als „Übergewinnsteuer” – eingeführt, um sog. Zufallsgewinne aus der Erzeugung und Veräußerung von Strom abzuschöpfen. Dass gut gemeint nicht gleich gut gemacht bedeutet, zeigt das Beispiel der Weinviertler Energie, die im niederösterreichischen Stockerau seit 2000 Energie aus Windkraft erzeugt und durch diese Regelung zum „Handkuss” kommt.Der 30. September 2023 war der Stichtag, an dem der EKBS für den Zeitraum 1. Dezember 2022 bis 30. Juni 2023 fällig wurde (Stichtag für die zweite Jahreshälfte 2023 ist der 31. März 2024). Der EKBS beträgt 90% der Überschusserlöse aus der Veräußerung von im Inland erzeugtem Strom aus Windenergie, Solarenergie, Erdwärme, Wasserkraft, Abfall, Braunkohle, Steinkohle, Erdölerzeugnissen, Torf und Biomasse-Brennstoffen. Als Überschusserlös sind jene aus dem Stromverkauf realisierten Erlöse („Markterlöse“) definiert, die eine Obergrenze von 140 Euro je MWh Strom (im Zeitraum 1.12.2022 bis 31.5.2023) bzw. 120 Euro je MWh Strom (nach dem 31.5.2023) überschreiten, wobei unter bestimmten Voraussetzungen noch ein Absetzbetrag für begünstigte Investitionen abgezogen werden kann.
Auch Matthias Rötzer, Gesellschafter der Weinviertler Energie GmbH mit Sitz in Stockerau, hat eine entsprechende Erklärung an das Finanzamt übermittelt – eine „Nullmeldung”, wie er betont, denn ob er für den Windpark, bestehend aus vier Windrädern à 600 kW, zahlungsplichtig sei oder nicht, könne er dem Gesetzestext nicht eindeutig entnehmen. „Wenn man sich das Gesetz durchliest, merkt man, dass es ein Schnellschuss ist. Mittlerweile gibt es von der IG Windkraft zwei juristische Gutachten, die ebenfalls zum Schluss kommen, dass das Gesetz nicht sehr durchdacht ist und die Grenzen und Betrachtungen willkürlich klingen”, kritisiert Rötzer. Zumal er die im Gesetz verwendete Bezeichnung „Megawatt-Kapazität” auch für terminologisch falsch erachtet, da diese in Farad gemessen würde und nicht in Kilowatt oder Kilowattstunden – technisch korrekt wäre die Engpassleistung.
Frage der Fairness
Abgesehen von den handwerklichen Mängeln erweise sich das Gesetz bei näherer Betrachtung als „intrinsisch ungerecht”. Diese Ungerechtigkeit ist es auch, die Rötzer so sauer aufstößt: „Für mich als Altanlagenbetreiber geht es um die Frage, wie es sich darstellen lässt, dass wir über Jahre zu extrem niedrigen Stromtarifen am freien Markt eingespeist haben, sodass nicht einmal die Gestehungskosten gedeckt waren – von den Investitionskosten reden wir da noch gar nicht. Jetzt werden wir Erzeuger als Abzocker hingestellt, nur weil wir ein paar Monate gute Gewinne machen. Damit ist das aber noch lange nicht ausgeglichen, daher sollte man das nicht monatlich betrachten, wie es dieses Gesetz vorgibt, sondern man müsste das eigentlich auf die Lebenszeit der Anlagen durchrechnen. Und sobald wir durchschnittlich auf alle Betriebsjahre 7,5 Cent pro kWh erreicht haben, bin ich schon zufrieden und führe auch gerne die entsprechenden Steuern ab – doch davon sind wir eben weit entfernt.” Ebenfalls nicht gerade stimmungserhellend wirke der Umstand, dass „die Argumentation früher immer lautete, dass der Markt den Marktpreis macht. Das war super, solange die Preise niedrig waren. Als die Preise in die Höhe geklettert sind, hatte der Markt plötzlich nicht mehr Recht.”
Und noch etwas ist aus Sicht von Rötzer zu hinterfragen: „Mit dem Gesetz wird alles über einen Kamm geschoren, doch das geht eigentlich nicht, wenn man Gleichbehandlungsgrundsätze berücksichtigt. Photovoltaik, Wind- und Wasserkraft haben höchst unterschiedliche Volllaststunden: PV-Anlagen etwa 1.000 pro Jahr, ein Windrad je nach Größe 1.500-2.500 und ein Wasserkraftwerk bis zu 6.000. D.h. die produzierte Strommenge ist höchst unterschiedlich, und während z.B. eine PV-Anlage mit 1,1 MW den EKBS voll zahlen müsste, hätte ein Wasserkraftwerk, das knapp unter der gesetzlichen Grenze von 1 MW liegt, keinerlei Zahlungsverpflichtungen – obwohl es die x-fache Menge an Strom produziert. Das passt absolut nicht! Man hätte sich z.B eine progressive Besteuerung überlegen können, so wie auch bei der Einkommenssteuer: Dort zahlt man ja auch nicht bis zu einem Jahreseinkommen von 50.000 Euro keine Steuer und darüber plötzlich 90%.”
„Skurrile Situation”
Eine „enorme Schieflage” ortet hier auch Martin Fliegenschnee-Jaksch, Sprecher der IG Windkraft: „Es ist skurril, dass ausgerechnet jene, die die Preise für Energie nachweislich senken, jetzt zur Kasse gebeten werden. Seitens des Gesetzgebers wurde angekündigt, dass die Abschöpfung auf Fossile nachgeschärft wird – darauf warten wir allerdings immer noch.” Die Forderung lautet, dass „Fossile mindestens soviel zahlen müssen wie die Erneuerbaren. Denn der Grund für die Energiekrise ist ja das teure Gas – und es kann nicht sein, dass die erneuerbare Energie die Kosten trägt, während die Fossilen Gewinne machen wie seit Jahren nicht.”
Fliegenschnee-Jaksch bestätigt, dass Altanlagen-Betreiber besonders betroffen seien: „Die kommen noch aus der Pionierzeit und haben nicht einmal die Möglichkeit, Investitionen anzurechnen, weil die Anlagen eben schon seit so langer Zeit laufen. Dabei hatten es diese Betreiber in vielen Jahren wirklich sehr schwer und erzielten lediglich Preise, die z.T. unter den Gestehungskosten lagen.” Insofern sei es auch ein „interessantes Narrativ”, dass die Energieerzeuger Schuld an der Energiekrise seien, denn ausschlaggebend sei vielmehr die Preisgestaltung der EVUs.
Wie es weitergeht
Derzeit wartet Rötzer auf den Bescheid, für den das Finanzamt sechs Monate Zeit hat. Sollte er den EKBS zahlen müssen, dann wäre er einen mittleren fünfstelligen Eurobetrag los. Kein Weltuntergang, aber immerhin in etwa der Ertrag des schlechtesten Betriebsjahres der Weinviertler Energie – und somit auch nicht nichts.
Seine Anliegen und Bedenken hat er jedenfalls sowohl bei der IG Windkraft als auch politischen Vertretern deponiert. Er hofft, dass die aktuelle Hochpreis-Situation zumindest dafür genutzt wird, neue Fixpreise für die Einspeisung zu definieren – mit einem Deckel nach oben, vor allem aber auch nach unten hin. 7,5 Cent pro kWh wäre seine Wunschvorstellung – denn die Zeiten, davon ist er überzeugt, werden sich auch wieder ändern.
Kommentare