There are old pilots and there are bold pilots…
(© pixabay) Dieser Tage beging der Flughafen Wien sein 70jähriges Jubiläum und feierte dabei auch seinen kommerziellen Erfolg. Ehrlicherweise sehe ich das ein wenig zwiespältig: Einerseits bin ich absolut flugbegeistert. Die Technologie, die Eleganz eines gut konstruierten Flugzeugs, das Spielen mit Wind und Wetter, die Überwindung der Schwerkraft, andererseits hat die Fliegerei in den vergangenen Jahren viel von ihrem Glanz verloren. Das Außergewöhnliche am Fliegen ist verloren gegangen.Seit meinem Kommentar von Ende März konnte jeder erkennen, ich habe nicht nur eine Schwäche für Sponti-Sprüche, sondern auch eine für die Fliegerei. In meiner Heimatstadt bin ich neben einem Flugplatz aufgewachsen und ich beobachtete am Wochenende die Segelflieger, wie sie mit einem leisen aber deutlichen Sierren über mich hinwegzogen. Das Ballett der Flugzeuge im Endanflug, wenn sie sich je nach Windrichtung und -stärke wie an einer Perlenschnur aufreihten, um die Graspiste anzusteuern, war immer faszinierend. Es war also kein Wunder, dass ich, kaum 16 vor dem Hangar des lokalen Segelflugvereins stand und bald danach auch meine ersten Flugstunden nahm.
Und eines lernte ich damals sehr schnell: Respekt. Die Fliegerei ist eine schöne Kunst, Wissenshaft und auch viel Handwerk. Aber niemals war es ein einfach nur so Fliegen. Entweder man war zu 100% bei der Sache, oder man flog nicht. Segelfliegen verzeiht keine Fehler – und gewöhnlich erfolgte die Rückmeldung sehr schnell, wenn man z.B. eine holprige Landung hinlegte. Manchmal konnte diese Rückmeldung auch recht extrem ausfallen, wenn man das Flugzeug z.B. bei der „Gefahreneinweisung“ bewusst überzog, der Flieger einfach einmal ins Trudeln kam und 100, 200 Meter durchsackte. In diesem Fall war man froh, dass man entsprechend hoch über Grund und eben kein anderer Segelflieger unter dir war.
Der Respekt wurde uns Flugschülern auch von den Fluglehrern eingetrichtert und drückte sich vor allem in Checklisten aus, die vor jedem Flug und vor der Landung strikt einzuhalten waren und natürlich auch heute noch von jedem Flugzeugführer einzuhalten sind, um die Sicherheit bei jedem Flug zu gewährleisten. Genauso wurde der Umgang mit Gefahrensituationen geübt, damit selbst im Fall des Falles jeder Handgriff saß und jedes Manöver exakt geflogen werden konnte. Nur wer die Grundlagen beherrschte, konnte sich von dort weiter vortasten, die Grenzen der Fliegerei immer weiter ausloten, mit dem Segelflieger auf Strecke gehen oder einfach nur einen Nachmittag lang sich in der Thermik spielen.
Und wenn man über die Grenzen seines Flugzeugs Bescheid wusste, konnte man da sehr weit gehen. Dann hatte man die schönste Zeit seines Lebens. Ein Fehler dagegen konnte sprichwörtlich fatale Konsequenzen haben. Gleichzeitig hatte man sich festgelegt, sobald das Rad vom Boden war. Denn die Physik lässt mit sich nur bedingt diskutieren und im Endeffekt hat sie immer Recht. Eine Botschaft, die uns Flugschülern und jungen Piloten auch in trockenen Sprüchen wie „There are old pilots and there are bold pilots, but there are no old, bold pilots“ vermittelt wurde – und weswegen ich auch die Segelfliegerei an den Nagel gehängt habe, als ich nicht mehr meinen persönlichen Mindeststandard erfüllen konnte.
Und damit komme ich zur heutigen Verkehrsfliegerei. Wenn sich Menschen wie Sardinen in die Dose zwängen, wenn man sich Stunden lang durch Sicherheitskontrollen quält oder Dutyfree-Shops wie Reusen das Geld der Fluggäste abgreifen, die gehetzt vor dem Boarding noch einmal ein Geschenk oder Ablenkung suchen, dann nähert man sich der Fliegerei als reiner Konsument, der nur schnell von A nach B will. Fliegen wird zum Busfahren, aber das Besondere geht verloren. Alle Faktoren, welche das Fliegen einzigartig machen, werden verdrängt, hinter Panels verborgen. Dabei ist jeder Flug auch heute immer eine umfassende Verhandlung mit der Physik. Natürlich kann man die Grenzen des Möglichen immer weiter hinausschieben, aber auch das hat seine Trade-offs, weswegen man in der Verkehrsfliegerei noch viel mehr auf Checklisten und Procedures hält sowie viele Sicherheitspuffer eingebaut hat.
Und weil ich in meiner aktiven Zeit einige Linienpiloten kannte und ihnen über die Schulter sehen durfte, nähere ich mich auch heute der Fliegerei mit Respekt an. Ich weiß, welcher Aufwand hinter einem sicheren Betrieb steckt. Weswegen ich auch versuche, sehr bewusst zu fliegen und für mich dieses Gefühl des Außergewöhnlichen zu bewahren. Wenn jetzt der Flughafen Wien sein 70jähriges Jubiläum feiert, Vertreter der Betriebsgesellschaft auf laufend steigende Passagierzahlen verweisen und von der Demokratisierung des Fliegens sprechen, dann wird der Aspekt ausgeblendet, der Fliegen heute zu einer der sichersten Fortbewegungsarten gemacht hat: der simple Respekt vor einer außergewöhnlichen Errungenschaft.
Schön beschrieben: „Denn die Physik lässt mit sich nur bedingt diskutieren und im Endeffekt hat sie immer Recht.“ Diesen Respekt vermisst man aber auch bei 95 % der modernen Autofahrer.
Anime-Filmtipp zu Thema: „Blue Thermal“.
Erst vor ein paar Tagen gesehen, war ein liebevoller Einblick in die Welt „über den Wolken, wo die Freiheit (mal) grenzenlos i … (war)“. Die wir so nicht kennen, du aber schon. Danke.