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Freitag, 26. April 2024
Gedanken zwischen Angst und Ungläubigkeit

Stresstest

Über den Rand | Stefanie Bruckbauer | 22.03.2020 | Bilder | |  Meinung

Stefanie Bruckbauer
Ich glaube jeder hat schon mal versucht sich vorzustellen, wie es ist, wenn sich das Leben für uns alle von heute auf morgen schlagartig ändert. Auch ich. Doch wirklich gelungen ist es mir, in der damaligen Wohlfühlkomfortzonensituation, nicht. Jetzt stecken wir alle mittendrin. Das Leben, das wir vor wenigen Tagen und Wochen noch führten, gibt es nicht mehr. Und es wird, wie ich glaube, auch nie wieder so werden …. Gedanken zwischen Angst und Ungläubigkeit gespickt mit ein wenig Ironie und Galgenhumor.

Im Jänner hieß es noch „Scheißt Euch nicht an wegen ein paar hustenden Chinesen“ und im Februar: „Werdet nicht hysterisch! Covid 19 ist vergleichbar mit einem Schnupfen und außerdem sterben auf Grund der Grippe viel mehr Menschen“. Angesichts der Entwicklung seither, mit hunderten Toten in Europa innerhalb kürzester Zeit, sind alle diese Stimmen verstummt

Was leider nicht verstummt sind die zahlreichen Fakenews im Netz. Ganz im Gegenteil, es werden immer mehr. Und vielleicht finden es manche, angesichts der toternsten Situation, in der wir uns gerade befinden, jetzt nicht angebracht über diese Schwachsinnigkeiten zu schreiben, auf der anderen Seite finde ich, dass ein wenig Ablenkung guttut.

Hirnbefall

Klickt man sich durchs Netz hat man diese Tage das Gefühl, dass Corona bei manchen das Gehirn befällt. Warum sonst sollten so viele tatsächlich glauben, ja sogar überzeugt davon sein, dass Bill Gates hinter dem Ganzen steckt? Die Stiftung, die er mit seiner Frau Melinda betreibe, soll nämlich ein Patent auf das Virus besitzen (an anderer Stelle hat die Stiftung das Corona Virus sogar selbst entwickelt), um von der Produktion von Impfstoffen (wenn es dann irgendwann welche gibt) zu profitieren.

Andere sind überzeugt, dass Corona speziell in Labors entwickelt wurde, um als Biowaffe gegen die ganze Welt eingesetzt zu werden. Das Virus würde demnach aus absichtlich verbreiteten Infektionswolken auf die Menschen herabrieseln (… dieselbe Story wurde übrigens auch schon bei der Sars-Pandemie vor 17 Jahren erzählt). Interessant ist auch folgender Ansatz: Das Virus existiere gar nicht, sondern sei ein Nebeneffekt der Strahlung von 5G-Mobilfunkmasten– oder ein „Manöver der Eliten“, um von dringenden Problemen der Welt abzulenken. Andere glauben, dass Corona eingesetzt wird, um China in die Knie zu zwingen und wiederum andere sind überzeugt, dass die Gegner von US-Präsident Trump (damit können ja dann nur die Demokraten gemeint sein), dessen Wiederwahl mithilfe von Corona verhindern wollen.

Scharfäugige Internetuser haben im Muster des Puma Turnschuhmodells „Storm Adrenaline“ ein Porträt von Adolf Hitler erkannt. (Bild: Screenshot Puma, Twitter)

Ziemlich sicher, dass sich Corona bei manchen aufs Denkvermögen auswirkt, war ich schließlich, als ich Anfang März folgende Meldung las (die an sich nichts mit Corona zu tun hat aber trotzdem erwähnenswert ist, wie ich finde): „Aufregung um Puma-Sneaker mit vermeintlichem Hitler-Konterfei. Twitter-User sehen Hitler auf dem Schuh und werfen dem Unternehmen verdeckte Nazi-Sympathien vor.“ Ja, Sie haben richtig gelesen: Scharfäugige Kunden hätten im Muster des Turnschuhmodells „Storm Adrenaline“ aus der Herbst/ Winter-Kollektion 2019 von Puma ein Porträt von Adolf Hitler erkannt. Die schwarzen Elemente des Musters würden demnach wie die markante Frisur bzw. der markante Schnurrbart von Hitler aussehen. Einige Leute gingen sogar noch einen Schritt weiter und übten sich in Parallelen zur Unternehmensgeschichte. So soll Puma-Gründer Rudolf Dassler, der ältere Bruder von Adolf Dassler, dem Gründer von Adidas, ja Mitglied der NSDAP gewesen sein …

Noch Fragen? 😊

Apropos, da fällt mir ein: Über die sozialen Medien wird verbreitet, dass taiwanesische Experten einen einfachen Selbsttest empfehlen. „Atmen Sie tief ein und halten Sie den Atem länger als 10 Sekunden an. Falls bei Ihnen kein Husten, kein Unwohlsein oder sonst eine Anspannung zu bemerken sind, bedeutet das, dass in Ihrer Lunge keine Fibrose und somit keine Infektion vorliegt.“ So einfach kann es also sein. Führen Sie diesen Test jeden Morgen in einer frisch gelüfteten Umgebung durch – und es kann Ihnen quasi nichts passieren.

Sensationell finde ich auch den Ratschlag japanischer Experten (vorher waren es ja taiwanesische): Diese raten, dass jeder darauf achten sollte, dass sein Rachen durchgehend befeuchtet und nie trocken sein soll. „Trinken Sie alle 15 Minuten zumindest einige Schlucke Wasser“, so der Rat, denn – und jetzt kommt’s: „Selbst wenn das Virus in den Mund gelangt, ist es nicht so schlimm weil: Wasser und andere Flüssigkeiten leiten diese Viren durch die Speiseröhre in den Magen. Die Magensäure tötet dann das gesamte Virus ab. Doch wenn man nicht regelmäßig genug Wasser trinkt, kann das Virus in die Luftröhre und somit in die Lungen geraten. Das wäre dann sehr gefährlich!“, so die Experten eindringlich.

Ein Gutes haben alle diese Blödheiten ja: Sie bringen mich zum Lachen. Und das schafft zur Zeit sehr wenig. Gefährdet sind in meinen Augen allerdings jene Menschen, die solche Informationen großteils glauben und sich davon beeinflussen lassen, weil sie es nicht besser wissen. Der Chef der WHO, Tedros Adhanom Ghebreyesus, meinte diesbezüglich übrigens sehr treffend: „Wir kämpfen nicht nur gegen eine Epidemie, sondern auch gegen eine Infodemie. Fake News verbreiten sich schneller und einfacher als dieses Virus selbst – und sie sind genauso gefährlich.“

Zurück zum Ernst des Lebens

So, genug der Fakenews und zurück zum Ernst des Lebens … Es scheint, als wurde uns ein Stresstest auferlegt, ein Stresstest für unsere Gesellschaft und für alles was uns lieb ist. In dieser Situation wird mir erst so richtig bewusst, was mir alles lieb ist. Nämlich nicht nur die Menschen, die mir nahestehen, mein Zuhause und meine Arbeit, sondern eigentlich das ganze wunderschöne Land mit seinen Menschen, die Mentalität, die uns Österreichern innewohnt – von Scheißminix über ‚mach ma schon‘ bis ‚wird scho werden‘. Ich mag wie wir miteinander umgehen – oder soll ich sagen umgegangen sind? Plötzlich fühlt sich das alles falsch an, ein Stück weit verschoben. Wir rücken auseinander, berühren uns nicht mehr und halten metergroßen Abstand zueinander. Dies, weil es uns gesagt wird und weil ja tatsächlich jeder einzelne ein potentieller Virenüberträger sein kann. Und dieses an sich total unsoziale Verhalten soll nun Zusammenhalt und Verbundenheit sein?

Schulen und Unis, Restaurants, Geschäfte, Spielplätze, Museen und vieles mehr wurden geschlossen; Messen, Partys, Konzerte abgesagt. Das öffentliche Leben wurde ausgeschaltet – einfach so. Uns wird nahegelegt nicht mehr rauszugehen, keine Menschen zu treffen, weil nur auf diese Weise die Verbreitung von Covid 19 verlangsamt werden könne. Genauso stelle ich mir ein Leben im Krieg vor. Wobei, was heißt vorstellen? Ich muss mir das nicht vorstellen. Ich erlebe es live und hautnah. Wir sind im Krieg. Der Gegner ist ein Virus. Und damit er so wenige von uns  wie möglich niederstrecken kann, wurden von jetzt auf gleich Einschränkungen auferlegt, mit denen wir niemals gerechnet haben in unserem bisher so freien, selbstbestimmten Leben. Ein Leben, das man erst jetzt, wo man es (hoffentlich nur vorübergehend) nicht mehr „einfach so“ leben kann, richtig zu schätzen weiß … wie gesagt, das alles ist ein Stresstest für uns Menschen, für Herz und Verstand.

Blick aufs Wesentliche

Die Einschnitte sind enorm. Die meisten von uns sind zur Untätigkeit verdammt. Doch wo keine Ablenkung ist, tut sich plötzlich die Chance auf, den Blick aufs Wesentliche zu richten. Auf medizinisches Personal, das gerade alles gibt. Auf die Politiker, die gerade schwerwiegende Entscheidungen für jeden einzelnen von uns treffen müssen, ohne zu wissen, ob diese morgen noch richtig sind. Und auf jene Menschen, die es noch schwerer haben als wir, weil sie krank, unbeweglich oder alt sind. Die Ersten haben schon begonnen diesen Menschen zu helfen. Es geht eine enorm große Welle der Solidarität durchs Land: Jung hilft Alt, Gesund hilft Krank, … auf einmal schaut man auf die Menschen in seiner Umgebung, fragt kurz nach, ob alles in Ordnung ist und wechselt auf diese Weise vielleicht sogar das allererste Wort mit einer Nachbarin, die schon seit Jahren nebenan wohnt. Plötzlich denkt man an so viele Leute, von denen man schon so lange nichts mehr gehört hat, meldet sich und fragt nach, wie es ihnen geht.

Versuchen wir diesen Stresstest zu schaffen, mit Einsatz, Mut und Mitgefühl, sodass die Welt (zunächst die innere und in späterer Folge hoffentlich bald auch die äußere) wieder in die Fugen gerät und wir später mal sagen können: Wir haben uns zwar um Klopapierrollen gestritten, aber als es darauf ankam, haben wir zusammengehalten.

Bilder
Wo keine Ablenkung ist, tut sich plötzlich die Chance auf, den Blick aufs Wesentliche zu richten. (Bild: Peter Freitag/ pixelio.de)
Wo keine Ablenkung ist, tut sich plötzlich die Chance auf, den Blick aufs Wesentliche zu richten. (Bild: Peter Freitag/ pixelio.de)
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