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Freitag, 26. April 2024
Recht im Handel – Handeln im Recht

Das Ausprobieren der Ware durch den Verbraucher im Online-Handel

Hintergrund | Dr. Nina Ollinger | 05.04.2020 | |  
Eines der größten Probleme ist es wohl, wenn Waren mit Gebrauchsspuren oder aufgebrochener Verpackung im Online-Handel zurückgesandt werden, oftmals vielleicht auch wahllos oder ohne Verantwortung durch den Verbraucher, der einfach Ware testet, um sie dann wieder zurückzusenden. Was ist hier zulässig und was nicht? Eine aktuelle Entscheidung des Bezirksgericht Bregenz rückt diese Thematik wieder ins Licht. Worauf als Händler also achten, wie sich absichern?

Nun, zunächst ist klar auseinanderzuhalten, auf welches Rücktrittsrecht sich der Verbraucher berufen kann. Das gegenständliche Problem zeigt sich maßgeblich im sogenannten Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetz, leichter zu merken als FAGG, welches seit einigen Jahren ein besonderes Rücktrittsrecht im Online-Geschäft zur Verfügung stellt. Denn anders als beim Rücktrittsrecht nach dem Konsumentenschutzgesetz (§ 3 KSchG) sind die Rechte des Verbrauchers weitreichender. Für das Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG ist nämlich geregelt, dass der Kunde (Verbraucher) die Ware nur gegen ein angemessenes Entgelt für die Benützung zurückzustellen hat. Doch auch hier gilt, dass die Übernahme der Ware seitens des Verbrauchers nicht als Wertminderung anzusehen ist (§ 4 KSchG). Wichtig ist: Dieses Rücktrittsrecht gilt nicht für den Online-Handel, sondern nur dann, wenn der Kunde nicht direkt im Geschäft des Unternehmers gekauft hat (zB Messeverkauf).

Im Online-Handel ist das Problem schon etwas virulenter, auch aufgrund der Voraussetzungen. Der Händler hat hier keine Möglichkeit, auf die Art des Ausprobierens der Ware Einfluss zu nehmen wie in einem Geschäftslokal. § 15 Abs 4 FAGG ist hier die relevante Vorschrift, diese sieht vor: „Der Verbraucher hat dem Unternehmer nur dann eine Entschädigung für eine Minderung des Verkehrswertes der Ware zu zahlen, wenn dieser Wertverlust auf einen zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Ware nicht notwendigen Umgang mit derselben zurückzuführen ist. Der Verbraucher haftet in keinem Fall für einen Wertverlust der Ware, wenn er vom Unternehmer nicht gemäß § 4 Abs 1 Z 8 über sein Rücktrittsrecht belehrt wurde.“

Somit ist schon einiges klargestellt, und leiten sich schon hier die ersten Handlungsempfehlungen für den Händler ab: Die Belehrung über das bestehende Rücktrittsrecht nach dem FAGG ist schon alleine aufgrund der sich ansonsten eklatant verlängernden Rücktrittsfrist (1 Jahr und 14 Tage anstelle von nur 14 Tagen) höchst empfehlenswert. Darüber hinaus erhält man aber auch keinen Wertverlust ersetzt, wenn nicht aufgeklärt wurde.

Darüber hinaus darf der Kunde alles tun, was es ihm ermöglicht, eine kurze Funktionsprüfung vorzunehmen. Allgemein wird darauf abgestellt, was auch in einem Geschäftslokal möglich wäre. Das beinhaltet auch einen Probebetrieb, wobei man hier aber berücksichtigen muss, dass im Einzelfall geprüft werden muss, wie weit dieser Probebetrieb gehen darf, da in einem Geschäftslokal ja auch Vorführgeräte bereitgestellt werden. Das Schießen von Probefotos mit einem Fotoapparat, da diese rückstandsfrei wieder gelöscht werden können, ist jedenfalls unproblematisch. Die Proberasur mit dem Rasierapparat eher weniger; das wäre auch in einem Fachgeschäft im Regelfall nicht möglich. Argumentiert wird auch damit, dass kein erheblicher Nachteil des Unternehmers drohen darf, da ja auch zB das Auspacken von versiegelter Ware (zB CDs) dazu führt, dass das Rücktrittsrecht per se beseitigt wird.

Eines ist klar: Der vollständige Verbrauch der Ware, Beschädigung, vollständige Zerstörung uÄ schließen schon den Rücktritt aus und damit ist die Ware jedenfalls zu bezahlen. Allerdings: Droht kein Nachteil, der über das Anprobieren hinausgeht, muss hier auch kein Benützungsentgelt oder sonstiges geleistet werden. Ein Schmuckstück, das ohne Wertverlust einen Abend getragen wird, kann daher genauso gegen Rückerstattung des Kaufpreises zurückgeschickt werden wie Ware, die allenfalls an Wert verloren hat oder in Natura überhaupt nicht zurückgegeben werden kann, sofern dies nicht auf den Umgang des Kunden mit der Ware zurückzuführen ist.

Welche Schlüsse ziehen also Händler daraus? In jedem Fall über das Rücktrittsrecht belehren, bei der Überlegung, welche Produkte zu welchem Preis versandt werden einkalkulieren, dass leichte „Spuren“ an einem Gerät, die für eine Funktionsprüfung typisch sind, bei der Retournierung der Ware hingenommen werden müssen. Ganz so, wie dies auch das Bezirksgericht Bregenz im Musterprozess des VKI gegen Babywalz ausgesprochen hat. Damit ist es das erste vorliegende Urteil in Bezug auf diese Fragestellung; zu beachten ist jedoch, es handelt sich hier um ein erstinstanzliches Urteil (Bezirksgericht) und damit nicht um ein allseits bindendes OGH Urteil. In Anbetracht der bestehenden Rechtslage ist jedoch davon auszugehen, dass selbst im Rahmen des Instanzenzuges das Urteil kaum anders ausgefallen wäre.

RA Dr. Nina Ollinger, LL.M
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