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Freitag, 26. April 2024
GF Wimmer zur aktuellen Situation im Einrichtungsfachhandel

Service&More: „Jubelmeldungen sind nicht angebracht“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 08.10.2020 | |  Branche
Service&More Geschäftsführer Christian Wimmer sagt: „Der österreichische Einrichtungssektor kommt aus heutiger Sicht mit einem halben blauen Auge davon. Das ist viel mehr, als wir noch im Frühjahr erwarten konnten.“ (Foto: Service&More) Service&More Geschäftsführer Christian Wimmer sagt: „Der österreichische Einrichtungssektor kommt aus heutiger Sicht mit einem halben blauen Auge davon. Das ist viel mehr, als wir noch im Frühjahr erwarten konnten.“ (Foto: Service&More) Den Möbelfachhändlern und Raumausstattern von Service&More geht es trotz des Lockdowns im Frühjahr gut, wie der Verband informiert. Kein einziger von ihnen hänge am Tropf des Staates. Anlass für Jubelmeldungen sieht Geschäftsführer Christian Wimmer aber derzeit dennoch nicht. Er glaubt an seine zukunftsfitten Handels- und Lieferantenpartner und die von und mit ihnen umgesetzten Wohnkonzepte, wünscht sich aber mehr Ehrlichkeit in der Betrachtung der Situation, wie er sagt.

Wie viele andere Branchen hat auch der österreichische Einrichtungsfachhandel in diesem herausfordernden Jahr viel lernen müssen. Und die letzten Monate sind auch an der Einrichtungsbranche nicht spurlos vorüber gegangen. Laut aktuellen Zahlen der KMU Forschung Austria ist der stationäre Einzelhandel mit Möbeln und Einrichtungsgegenständen im laufenden Jahr bis August nominell um -14,2 % gesunken.
Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More, einer Einkaufs- und Dienstleistungsorganisation für KMUs der österreichischen Einrichtungsbranche, analysiert den Status so: „Der Einrichtungssektor kommt aus heutiger Sicht mit einem halben blauen Auge davon. Das ist viel mehr, als wir noch im Frühjahr erwarten konnten. Auch die Aufträge und Kommissionen stimmen positiv. Was allerdings gar nicht angebracht ist, sind Jubelmeldungen!“ Damit spielt Wimmer laut eigenen Angaben auf die großen Möbelhäuser an, die „mit hoher Regelmäßigkeit von Rekordumsätzen sprechen und bereits Anfang Juli erklärten, den gesamten Corona-Schaden egalisiert“ zu haben. „Rein rechnerisch ist das einfach nicht möglich“, so Wimmer. „Geht man davon aus, dass der Gesamtmarkt um mehr als 14% zurückgegangen ist und wir bei Service&More ein Minus von 4,1% verzeichnen, dann muss die Großfläche ein deutliches zweistelliges Minus vorweisen.“

„Rabattitis und das Schleudern von Einzelteilen haben einfach keine Zukunft“

Den Möbelfachhändlern und Raumausstattern gehe es laut Wimmer gut, der hohe Auftragsstand lässt zuversichtlich in die Zukunft blicken. Laut Wimmer liegt das an der Branche: „Der eigene Job, die Wirtschaft im Allgemeinen, aber auch große anstehende Investitionen – all diese Bereiche sind von großer Unsicherheit geprägt. Die eigenen vier Wände hingegen stellen eine zuverlässige Konstante dar.“ Das bestätige auch ein Blick in die Auftragsbücher und Terminkalender der 296 Mitglieder, die in den von Service&More betreuten Verbänden Garant Austria und Wohnunion tätig sind: L“aufend werden Beratungen durchgeführt und die Umsetzung neuer Wohnkonzepte beauftragt. Allumfassende Konzeptlösungen sind auch ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg“, wie Wimmer sagt und: „Das, was wir seit Jahrzehnten machen – Räume und Wohnungen gesamtheitlich planen und ausstatten – wird nun auch von den großen Möbelhäusern versucht. Sie erkennen sukzessive, dass die bisherige Rabattitis und das Schleudern von Einzelteilen einfach keine Zukunft haben.“

Warnung vor der Scheinträgheit und die Suche nach neuen Mitarbeitern

Auch wenn 2020 unter Bedachtnahme auf die Umstände glimpflich abläuft, so stehen uns im Jahr 2021 noch einige Hürden bevor, ist Wimmer überzeugt. Die Unsicherheit werde weiter anhalten, „wir haben noch nicht gelernt, mit der Unplanbarkeit richtig umzugehen“, so Wimmer, der genau davor warnt: „Natürlich ist es zutiefst menschlich, mit Sorgenfalten ins Jahr 2021 zu gehen. Zugleich ist es aber keinesfalls angebracht die Schockstarre weiter aufrecht zu erhalten. Jeder Einzelne und jedes Unternehmen muss sich jetzt entscheiden, ob er auf der Stelle tritt oder aktiv an die Sache herangeht.“ Die staatlich geförderte Kurzarbeit vergleicht Wimmer mit einem Schmerzmittel: „Am Anfang noch wichtig und effektiv, mit zunehmender Dauer ohne Wirkung und mit der Tendenz zur Abhängigkeit. Einige wenige Hersteller verfielen in eine Scheinträgheit und arbeiteten weder kunden- noch marktorientiert. Diese Unternehmen mussten auch ein massives Minus verzeichnen, während andere aktiv wurden, ihr Leistungsspektrum erweiterten und neue Dienstleistungen angeboten haben.“

„Händeringend auf der Suche nach neuen Mitarbeitern“

Die familiengeführten Partnerbetriebe von Service&More sind größtenteils kleinere Firmen, die rasch und flexibel auf neue Situationen reagieren können, so Wimmer, laut dem „kein einziger davon noch Mitarbeiter in Kurzarbeit“ hat. „Die meisten arbeiten extrem innovativ und haben Transformationsprozesse gestartet, um zukunftsfit zu sein und zu bleiben. Diese Partnerbetriebe sind händeringend auf der Suche nach neuen Mitarbeitern. Hier entsteht gerade ein Vakuum, denn viele Menschen, die noch einen Job haben, wiegen sich aufgrund der Kurzarbeit in falscher Sicherheit. Statt sich umzuorientieren, warten sie ab. Das wird auf die Dauer aber nicht gut gehen! Vielmehr sollte Kurzarbeit dynamisch sein, nicht fixieren und die Sicherheit beim Jobwechsel unterstützen.“

Positive Entwicklungen nur mit neuen Wegen

Dynamik hätten laut Wimmer auch die Betriebe der Garant Austria und der Wohnunion gezeigt: „Umgehend wurden Präsenztermine während des Lockdowns durch Online-Beratungen ersetzt, so manches bereits vorhandene digitale Tool, wie beispielsweise das Virtual Shelf eVA 5.0, wurden und werden verstärkt genutzt.“ Auch intern setzt man bei Service&More auf einen Mix aus Präsenz-Seminaren und Online-Schulungen. „Berechnet man die erzwungene Schließung im Frühjahr mit ein, so schließt das Jahr 2020 nahtlos an das Rekordjahr 2019 an“, so Wimmer, der abschließend eine positive Botschaft hat: „Jeder Einzelne von uns und jedes Unternehmen lernt jetzt, was gut ist und was nicht. Es ist wichtig Neues zuzulassen, Erfahrungen zu sammeln und für die Zukunft daraus zu lernen.“

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