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Freitag, 26. April 2024
Retail-Marktbericht: Österreichs Einzelhandel am Wendepunkt?

„Lockdown könnte zu tausenden Geschäfts-Schließungen führen“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 18.11.2020 | |  Unter der Lupe
Wie im Retail-Marktbericht von OTTO Immobilien aufgezeigt wird, steht Österreichs Einzelhandel am Wendepunkt. Der Lockdown könnte zu tausenden Geschäfts-Schließungen führen. (Bild: OTTO Immobilien) Wie im Retail-Marktbericht von OTTO Immobilien aufgezeigt wird, steht Österreichs Einzelhandel am Wendepunkt. Der Lockdown könnte zu tausenden Geschäfts-Schließungen führen. (Bild: OTTO Immobilien) Der österreichische, aber auch der globale Einzelhandel, stehen aufgrund der Coronakrise an einem entscheidenden Wendepunkt, sagen die Retail-Experten von OTTO Immobilien in ihrem aktuellen Marktbericht. „Mit dem jetzt verordneten zweiten Lockdown wird sich die Situation für viele Händler noch einmal deutlich verschlechtern, sodass in naher Zukunft tausende Geschäfte in ganz Österreich schließen könnten.“

Wie der Marktbericht (der sich auf Zahlen der RegioPlan Consulting GmbH bezieht) zeigt, waren während des ersten Lockdowns in Österreich 10,3 Mio. m² Verkaufsfläche und somit etwa 73% der gesamten Verkaufsfläche still gelegen. „Die täglichen Umsatzverluste betrugen während dieser Zeit für den stationären Einzelhandel 140 Mio. Euro brutto und in der Gastronomie 60 Mio. Euro/Tag (Wohnbevölkerung plus Touristen). Vor allem die Branchen Bekleidung, Schuh, Leder und Elektronik sowie die Geschäfte in den Tourismus-Hotspots erlitten massive Verluste, während die Zahlen von Nahversorgen, Baumärkten, dem Sporthandel, Drogerien und handelsnahen Dienstleistern mehr Stabilität aufwiesen und sich als etwas krisenresistenter herauskristallisierten.  Für die Bestandsgeber von Shop-Flächen dürfte sich der monatliche Verlust auf etwa 200 Mio. Euro (Miete und Betriebskosten) belaufen“, berichten die Studienautoren

Wirtschaftliche Folgen auf 2021 verschoben. Der Handel muss sich neu erfinden

„Die Folgen des ersten Lockdowns wurden durch diverse Unterstützungen und Stundungsmaßnahmen lediglich aufgeschoben und werden wahrscheinlich erst im ersten Halbjahr 2021 schlagend werden“, so Patrick Homm MA, Leiter Immobilienvermarktung Gewerbe bei OTTO Immobilien. Für den zweiten Lockdown, der neben der Gastronomie die Schließung des gesamten Non-Food Handels von 17. November bis 6. Dezember 2020 verordnet, befürchtet der Österreichische Handelsverband einen weiteren Umsatzentfall von 900 Mio. Euro pro Lockdown-Woche.

Fraglich ist laut Homm auch, wie erfolgreich das Weihnachtsgeschäft nach der Wiedereröffnung aufgrund fehlender Touristen sowie der Zurückhaltung der einheimischen Bevölkerung sein werde. „Jetzt sind individuelle  Unterstützungsmaßnahmen dringend notwendig, um die betroffenen Branchen und Betreiber liquide zu halten und somit deren Zukunft zu retten“, appelliert Homm.

Auch für die Immobilien-Eigentümer ändere sich die Situation auf Basis von COVID-19, wie Anthony Crow, MSc., Teamleiter Retail bei OTTO Immobilien, sagt. Bei Retail-Objekten sei teilweise mit deutlich längeren Vermarktungszeiten zu rechnen, kreative Ansätze und Ideen seien dringend gefragt, um diese auch nachhaltig vermieten zu können. „In naher Zukunft wird es außerdem notwendig sein, die Innenstädte und deren Handelszonen neu zuerfinden‘ – dabei müssen vor allem Politik, Vermieter und Mieter gemeinsam an der Weiterentwicklung des Handels arbeiten“, betont Crow.

Distanzhandel – die neue Normalität?

In Zeiten der aktuellen Krise, der eingeforderten „sozialen Distanzierung“ und der neuen Hygienestandards wird sich das klassische Geschäftslokal nach und nach zum Distanzhandel wandeln, ist Anthony Crow überzeugt. „Um den vormals klassischen ‚Point of Sale‘ zu revitalisieren, ist es notwendig, unter anderem durchdachte Logistiklösungen anzubieten, die die Verfügbarkeit der Produkte und dadurch alle Annehmlichkeiten für den anspruchsvollen Kunden garantieren – und gleichzeitig durch Erlebnisse und Entertainment die Verweildauer im Shop erhöhen.“

Mieten für „Schaufenster“ statt für Verkaufsflächen?

Es ist laut OTTO Immobilien bereits jetzt zu beobachten, dass einige Retailer höchst adaptionsfähig sind und mit ideenreichen Lösungen versuchen, die Zukunft ihres stationären Vertriebskanals zu optimieren. Weiters werden künftig hybride Lösungen, also die gänzliche Vermischung aus online und stationär, unumgänglich sein, so die Retail-Experten. „Als Ergebnis dieser Omni-Channel-Welt sehen wir eine Verkleinerung der Verkaufsflächen, Mietpreise für ‚Schaufenster‘ statt für Verkaufsflächen, eine häufigere Einbindung von Gastronomie in Shops, um die Verweildauer /-qualität zu erhöhen, aber auch kreative Pop-up-stores und mobile Verkaufsflächen“, erläutert Crow.

Die Corona-Krise ist nach Einschätzung von OTTO Immobilien lediglich ein Brandbeschleuniger für einige längst fällige Entwicklungen des stationären Einzelhandels und hat in einigen Bereichen Schwächen schonungslos aufgezeigt – aber auch bestehende Trends weiter befeuert, wie das Team vo n OTTO Immobilien aufzeigt:

  • „Der Einzelhandel wird sich auf 1 A-Lagen, Kernzonen und die Top-Einkaufsstraßen fokussieren, während B- und C- Lagen unter Druck geraten und eine verstärkte Nahversorgungsrolle einnehmen. Neben Einkaufsstraßen sind auch Shopping Center gefordert, ihren Branchen-und Mietermix aufrecht zu erhalten. Die Betreiber stehen künftig noch mehr vor der Situation, aus Shopping Centern ‚Life-Style-Hubs‘ und somit den Third Place zu kreieren.“
  • „Nicht nur der klassische Einzelhandel befindet sich im Wandel, sondern auch das allgemeine Arbeits-, Konsum- und Mobilitätsverhalten. Die zunehmende Urbanisierung und der Wunsch nach kurzen Wegen zwischen Wohnen, Arbeiten und Einkaufen führen dazu, dass dem Zeitgeist entsprechende ‚Mixed-Use-Objekte‘ diese verschiedenen Segmente unter einem Dach vereinen werden.“
  • Bedingt durch die Corona-Pandemie und den damit einhergehenden rasanten Wandel des stationären Einzelhandels, werden Vermarktungen von Geschäftsflächen in Zukunft komplexer, genauer analysiert und länger dauern. „Daraus ergibt sich die Notwendigkeit eines fundierten Retail-Consultings für Vermieter und Mieter. Etwa als Begleitung und Aufbereitung von Expansionsstrategien, als Vermietungsmanagement oder Eigentümervertretung“, so Patrick Homm.
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