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Samstag, 27. April 2024
Wenn die Erwartung mit dem Nutzungserlebnis kollidiert

Die störende Technik

Über den Rand | Dominik Schebach | 26.09.2021 | Bilder | | 3  Meinung

Dominik Schebach
Vor ein paar Tagen stolperte ich über eine Aussendung, welche den Titel „Frei von störender Technik“ trug. Das brachte mich dann doch zum Grübeln und rief Erinnerungen an diverse Fälle wach, als ich wieder einmal Verwandte schlecht und recht bei ihren technischen Problemen unterstützen musste. Dabei sind wir heute von Technik umgeben – und im besten Fall bemerken wir sie nicht einmal oder nehmen sie als selbstverständlich wahr. Haarig wird es allerdings immer dann, wenn die Technik am Bedarf vorbei entwickelt wurde, bevormundend ist, oder einfach schlecht bedienbar, weil schlampig oder uninteressiert entwickelt wurde.

In diesem Fall wird diese „störende Technik“ im besten Fall frustrierend, im schlechtesten Fall ausgesprochen gefährlich – wenn z.B. die Assistenzsysteme den Benutzer verwirren und stören, anstatt zu unterstützen. Und dabei ist es egal ob es sich um digitale Helferlein im Fahrzeug handelt, das auf – für den Benutzer unerfindlichen Gründen ein Eigenleben entwickelt- oder ein schlecht entworfenes Faltrad, das während der Fahrt seine strukturelle Integrität aufgibt und sich eben zusammenfaltet. Die Technik erfüllt in diesem Moment nicht die in sie gestellten Erwartungen.

Die Geräteentwicklung bewegt sich immer auf einem schmalen Grat. Die richtige Mischung von Ergonomie, Bedienlogik und Benutzerführung sowie Flexibilität zu finden, ist schwer – aber für Unternehmen, die technische Produkte verkaufen, unerlässlich. Als ein Paradebeispiel wird in diesem Fall immer wieder Apple genannt. Das Unternehmen hat seinen Schwerpunkt von Anfang auf Usability gelegt hat und so über Jahre eine treue Kundenbasis aufgebaut. Aber auch der Siegeszug von Android ist letztendlich darauf zurückzuführen, dass die Endkunden sich bei einem neuen Handy nicht jedes Mal mit einer neuen Bedienlogik anfreunden wollten. Sie wollen das Smartphone in die Hand nehmen und alle wichtigen Funktionen sofort nutzen können.

Ähnliches gilt für Fahrzeuge, Unterhaltungselektronik oder Waschmaschinen. All diese Dinge wecken bei uns Nutzungserwartungen, welche wir ohne große Vorbereitung erfüllen wollen: Das Auto soll fahren, die Unterhaltungselektronik unterhalten, die Waschmaschine waschen. Wenn ich mich dagegen bei einem ausgeborgten Fahrzeug zuerst durch einen 300seitgen Wälzer durchkämpfen muss, um die wichtigsten Systeme zu verstehen und nutzen zu können, dann haben die Entwickler ihr Ziel verfehlt. Dann haben sie einen Jetfighter für hochtrainierte Piloten entworfen, aber für den normalen Anwender wird die Technik unbrauchbar.

Das Problem betrifft alle Menschen. Ein gutes Beispiel ist die Erfahrung vieler großer Konzerne während des Lockdowns, wie ein deutscher Dienst berichtete. Als die Belegschaft ins Home Office wechselte, implementierten die IT-Abteilungen vieler Unternehmen oftmals recht strenge Sicherheitsvorschriften. Das Ergebnis war, dass sich die IT-kundigen und weniger kundigen Mitarbeiter sofort daran machten, diese Vorschriften auszuhebeln, weil diese Sicherheitsmaßnahmen (ist gleich Technik) sie bei der Arbeit störten. Kurz, die IT-Sicherheitsmechanismen waren zwar perfekt und gut gemeint, gingen aber am Bedarf der Benutzer vorbei und waren damit wertlos – sie bewirkten das Gegenteil vom beabsichtigten Ziel.

Die Achillesferse bei all den technischen Anwendungen ist, wie wir aus unserer täglichen Praxis wissen, in der Regel die Benutzerschnittstelle. Die Beispiele an schlecht gestalteten User-Interfaces mit abenteuerlichen und nichtssagenden Beschriftungen sind Legion. Andererseits haben sich einige Systeme als Standards etabliert, weil einfach so viele Menschen sie verwenden  und sie sich dabei bewährt haben, weil sie intuitiv verständlich sind. Ein Steuer- oder Lenkrad ist z.B. so gesehen eine vollkommen intuitive Benutzerschnittstelle, welche zudem ergonomisch gestaltet und selbst für Anfänger mit einem hohen Grad an Genauigkeit zu benutzen ist. Wenn man digitale Systeme an diesem Standard misst, dann haben uns die Entwickler von PCs, Macs und Smartphones, aber auch Unterhaltungselektronik, Autonavigations- und Entertainmentsysteme ihre Logik aufgezwungen. Sie sind damit durchgekommen, weil der Nutzen dieser Anwendungen so groß ist. Das ist allerdings keine Entschuldigung für ein mieses Nutzererlebnis. Und wir sollten uns das auch nicht länger gefallen lassen.

Bilder
(© Robert Kraus/www.pixelio.de)
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Kommentare (3)

  1. „Frei von störender Technik“
    Mal ehrlich, das sind heut zu Tage nur mehr Gummistiefel, schon bald das Einzige welches nicht zeitweise abstürzen kann. 🙂

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