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Samstag, 27. April 2024
Man muss einmal ins Tun kommen

Das Gebot der Stunde

Hintergrund | Dominik Schebach | 20.03.2022 | | 2  
Gewohnheit, Bequemlichkeit sowie die bisherige Ausrichtung des Lebensstils auf billige Energiepreise und immer verfügbare Mobilität hat trotz der hohen Preise bisher jede Verhaltensveränderung verhindert. Für die Erzeuger ist das ein Signal: Da geht noch was. Gewohnheit, Bequemlichkeit sowie die bisherige Ausrichtung des Lebensstils auf billige Energiepreise und immer verfügbare Mobilität hat trotz der hohen Preise bisher jede Verhaltensveränderung verhindert. Für die Erzeuger ist das ein Signal: Da geht noch was. (© Rainer Sturm / pixelio.de) Wir diskutieren wieder über Energie – und das mit mehr Emotionen als bisher. Der Grund ist klar, jetzt spüren wir die Auswirkungen unserer Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten direkt in unserer Geldbörse. Jeder Blick auf die Preisschilder im Supermarkt, die Stromrechnung oder die Preise bei der Tankstelle sind ein Stich ins Herz. Die erwartbare Diskussion um die Belastung der Österreicherinnen und Österreicher dreht sich dann allerdings wieder nur um kurzfristige Lösungen. – „Nur nichts ändern“ scheint weiterhin die Devise der Österreicher und ihrer Interessensvertreter zu sein. Dabei ist Veränderung das Gebot der Stunde.

In den vergangenen Wochen habe ich mich wieder zum Nachrichten-Junkie entwickelt. Es vergeht kaum eine Stunde, in der ich nicht Updates von nationalen und internationalen News-Seiten einhole. Dazu der ständige Strom an Aussendungen von Unternehmen und Institutionen, welcher seinen Weg in meine In-Box findet, und man hat allen Grund an der Menschheit zu verzweifeln. Das zeigt sich nicht nur am Thema Ukraine per se, sondern auch die Folgen im Energiebereich. Wir kommen einfach nicht ins Tun.

In diesem Zusammenhang haben ich ein paar Beiträge der vergangenen herausgegriffen: Da war zum einen die Aussendung diverser Interessensverbände zur Entwicklung der Spritpreise und warum jetzt unbedingt die Steuern runter, die CO2-Abgabe nicht eingeführt und überhaupt mehr Sprit herangeschafft werden soll, dann eine Analyse des VCÖ zur Preisgestaltung der Spritpreise, der Leitartikel in der Tiroler Tageszeitung von Max Strozzi am 18. März und die Aussendung des Verbundes zu seinem Jahresergebnis.

Fangen wir bei den Aussendungen der Interessensverbände von WKO bis AK sowie die Wortspenden diverser politischer Funktionäre an: Die fordern in der Regel eine sofortige, umfassende Entlastung bei den Energiepreisen. Ansonsten droht der sofortige Untergang des Abendlandes. – Das stimmt meiner Meinung nach nur bedingt: Ja. Energiepreise berühren alle Bereiche des täglichen Lebens und treiben die Inflation. Trotzdem sollten wir uns sehr genau ansehen, wo wir welche Maßnahmen setzen. Vor allem bei Gas sind wir in der Falle, weil diesen Energieträger können wir in der Raum- und Prozesswärme, Energieerzeugung sowie Industrie kurzfristig kaum ersetzen. Da werden wir meiner Einschätzung nach nicht um gezielte Unterstützungsmaßnahmen für die Betroffenen herumkommen.

Der emotionale Spritpreis

Emotional wird derzeit allerdings vor allem der Spritpreis diskutiert: Den sieht und spürt man täglich an der Tankstelle. Da ist die Leitung bei den Österreichern besonders kurz. Dass jetzt diverse Verbände nach einem Aussetzen von Steuern und CO2-Abgabe rufen, ist auch klar. Alles andere wäre verwunderlich gewesen. Nur haben aber die Energiekonzerne bzw die Erzeuger/Förderländer weltweit gesehen, dass die Menschen ihre Autos wegen der hohen Spritpreise nicht stehen lassen. Gewohnheit, Bequemlichkeit sowie die Ausrichtung des Lebensstils auf billige Energiepreise und immer verfügbare Mobilität haben trotz der hohen Preise bisher jede Verhaltensveränderung verhindert. Man könnte auch sagen, die Österreicher und viele andere Westeuropäer sind in einer physischen und emotionalen „Lock in“-Situation – weswegen der europäische Spritverbrauch bisher auch kaum zurückgegangen ist. Die Angebotsverknappung besteht allerdings weiterhin. Kurz, die Verbraucher wollen zwar eine Rückkehr zum Status quo ante, die Erzeuger haben aber gesehen, dass da noch etwas geht. Sollten die europäischen Finanzminister also großflächig bei Mineralölsteuer und UST einknicken, dann werden die Erzeuger – so fürchte ich – einfach die Preise erhöhen und einen Zusatzgewinn einstreichen.

Zu dieser Einschätzung komme ich u.a. anhand der VCÖ-Analyse der Spritpreis-Entwicklung in der ersten Märzhälfte. Traditionell sind die Steuern auf Treibstoffe in Österreich geringer als in anderen EU-Staaten, weswegen sich die Österreicher bisher niedrigerer Preise an der Tankstelle erfreuten als z.B. Italiener und Deutsche. Der übermäßige Preissprung legt daher den Schluss nahe, dass die Lieferanten kaltblütig diesen Spielraum ausgenutzt haben. Spannend wird deswegen auch, wie weit die Spritpreise nach der derzeitigen Panik wieder sinken, oder ob sich die Erzeuger in Zukunft schlicht einer Österreich-Dividende erfreuen.

Ausgehebelt?

Damit scheint eine kurzfristige Lösung bei den Preisen an der Tankstelle unwahrscheinlich. Denn die populistischen Sofortmaßnahmen der Politik können jederzeit von den Erzeugern ausgehebelt werden. Das betrifft allerdings nicht nur die fossilen Energieträger wie Treibstoffe und Erdgas, sondern auch Strom. Dass sich da österreichische Unternehmen auch gern bedienen, zeigt die Bilanz des Verbund Konzerns. Der orientiert sich bei seiner Preisgestaltung an den internationalen Großhandelspreisen, welche u.a. durch den hohen Gaspreis für die Stromerzeugung in Gaskraftwerken begründet werden, und hat so ein Rekordergebnis eingefahren, obwohl der Konzern seinen Strom vor allem mit Wasserkraft erzeugt.

Wir zahlen hier den hohen Preis für unsere Lethargie in den vergangenen 20 Jahren, wie Max Strozzi in seinem Leitartikel in der TT vom Freitag richtig ausführt. Anstatt allerdings die ungenutzten Chancen der Vergangenheit zu beklagen, sollten wir uns jetzt ein Herz nehmen und diese Abhängigkeiten lösen. Das bedeutet auch, dass wir nicht eine Wiederherstellung des Zustands vor der Krise anstreben sollten. Sollte der Staat parallel zur Kurzarbeitsregelung nun mit der Gießkanne die Energiepreise stützen, damit wir unser gewohntes Leben einfach weiterführen können, dann ist das nicht nachhaltig, sondern eine Sonderdividende für Konzerne und Erzeugerländer. Wird allerdings die Nachfrage verringert, kommen die Erzeuger unter Zugzwang. Dazu braucht es allerdings einige intelligente Maßnahmen.

Die Rezepte dazu – Stichwort Energiewende – liegen in der Schublade: von kurzfristigen Maßnahmen wie dem konsequenten Energiesparen auf allen Ebenen, über mittelfristige Ziele wie dem forcierten Ausbau der Photovoltaik und Windkraft, bis zu langfristigen Zielen wie dem Ersatz von Gas in der Industrie durch „grünen Wasserstoff“. Das kostet Geld – keine Frage. Aber billiger wird es mit Zuwarten auch nicht. Andererseits eröffnen solche Veränderungen immer Chancen und die österreichischen Betriebe können hier neue Spielfelder besetzen. Und angesichts der internationalen Situation, und damit meine ich nicht nur den Krieg in der Ukraine, können wir uns ein Zögern eigentlich nicht länger leisten.

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Kommentare (2)

  1. VIelleicht gibt es Journalisten, die an Erdgeschichte interessiert sind, für die habe ich folgende Anregung: in den letzten 600.000 Jahren gab es 4 Eiszeiten von jeweils 80 – 100.000 Jahre Länge und dazwischen Warmzeiten, die mangels Menschen wahrscheinlich durch eine Veränderung der Neigung der Erdachse entstanden sind. Die letzte Eiszeit ging vor etwa 17.000 Jahren zu Ende und seither wird es wärmer und die Gletscher schmelzen. Die Erwärmung wird bei gleichbleibender Entwicklung ca. 30.000 Jahre anhalten und in weiteren 40.000 Jahren in einer 5. Eiszeit enden. So einfach ist das und alle klimaeinschränkenden Maßnahmen können bestenfalls marginal diese Entwicklung beeinflussen. Woher ich das habe: ich habe bei Univ.Prof. Dr. Leiter an der Hochschule für Welthandel in Wien studiert, ist zwar schon einige Jahre her, aber warum sollte das falsch gewesen sein? Vielleicht gibt es einen Wissenschafter oder Journalisten, der diese These zur Diskussion stellt?

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    1. Wir haben das doch alle in der Schule gelernt, dass wir uns am Ende einer Eiszeit befinden. Und dass sich dieser Kreislauf, wie Hr Pöcksteiner schreibt, wiederholt. Erinnert euch! Wir haben gelernt, dass es wärmer wird, die Polkappen schmelzen und die Meeresspiegel steigen werden – völlig natürlich. Die Erde hat schon Zeiten hinter sich, in denen die Polkappen völlig eisfrei waren. Ich bin überzeugt, dass der Mensch diese Entwicklung durch sein Handeln stark beschleunigt. Aber wir sind sicher nicht alleine dafür verantwortlich, dass sich die Welt erwärmt und wir können es auch nicht verhindern.

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