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Samstag, 27. April 2024
Aus dem Bundesgremium: Besuch in der Berufsschule Theresienfeld

„Der Verkäufer wird zum Unterhalter“

Hintergrund | Julia Jamy | 24.07.2023 | |  
Wolfgang Hackenberg (vorne) bildet seit 20 Jahren Jugendliche zu Elektro- und Elektronikberatern aus und das mit Leidenschaft. Wolfgang Hackenberg (vorne) bildet seit 20 Jahren Jugendliche zu Elektro- und Elektronikberatern aus und das mit Leidenschaft. (© S.Bruckbauer) Die Landesberufsschule Theresienfeld zählt zu den größten in Niederösterreich. Dort werden zukünftige Einzelhändler sowie Elektro- und Elektronikberater ausgebildet. elektro.at war vor Ort und sprach mit Berufsschullehrer Wolfgang Hackenberg über die Herausforderungen bei der Lehrlingsausbildung und worauf es im Verkauf ankommt.

Rund 17 Lehrberufe werden in der Berufsschule Theresienfeld unterrichtet, zwölf davon im Einzelhandel. „Wir haben hier unter anderem die Sparten Sport, Textil, Eisen, Telekom, Waffen- und Munitionshändler, allgemeiner Einzelhandel, Zoofachhandel und Lebensmittelhandel. Ein großer Schwerpunkt ist die Elektro- und Elektronikberatung mit rund 50 Schülern pro Schulstufe“, erklärt Hackenberg. 

Hackenberg kennt die Branche und ihre Besonderheiten, kommt er doch ursprünglich selbst aus dem Fachhandel und hat die Elektro-Matura abgeschlossen. Seit 20 Jahren bildet er nun Jugendliche zu Elektro- und Elektronikberatern aus und das immer noch mit Leidenschaft: „Ich mache es anders. Für mich ist Spaß und Wertschätzung das Wichtigste. Ich kommuniziere mit den Schülern auf Augenhöhe und nicht von oben herab. Das Wesentliche ist, dass die Schüler nicht bloß acht Stunden hier eingesperrt sind, sondern dass sie auch Spaß an der Sache haben. Großen Wert legt Hackenberg zudem auf die richtigen Umgangsformen.

Herausforderungen 

In zwei Jahrzehnten ist kein Stein auf dem anderen geblieben, sagt Hackenberg. Schüler für die Berufsschule zu begeistern, oder besser gesagt, deren Eltern, werde immer schwieriger: „Viele Eltern versuchen ihre Kinder in eine höhere Schule zu bringen. Der Stellenwert der Lehre muss aufgewertet werden – nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in den Betrieben. Lehrlinge sind keine billigen Arbeitskräfte und Regalschlichter, sondern kompetente Fachberater. Der Lehrling muss zudem mit Respekt behandelt werden. Das vermisse ich bei den großen Händlern sehr stark im Moment. Die Beratung ist weniger geworden.“  

Laut Hackenberg herrscht noch immer dieses Vorurteil, dass die Lehre nur für die Schüler übrig bleibt, die „nicht das Zeug“ für die Schule haben. „Um die Lehre auch in Zukunft attraktiver zu gestalten, müssen wir den Jugendlichen sagen, dass mit der Lehre das Leben nicht abgeschlossen ist. Man hat genauso die Möglichkeit, studieren zu gehen und vieles anderes. Ich sehe es mehr als Chance, dass der Lehrling mit dem, was er gerne macht, Geld verdient.“ Der Berufsschullehrer sieht hier auch die Politik in der Verantwortung: „Die Politik sollte schauen, dass die Lehre wieder anerkannt wird. Nicht jeder will eine HTL oder HAK machen. Es gibt genauso Lehre mit Matura. Ich finde, dass das mehr integriert werden sollte.“ 

Praxisnah

Im Verkaufsraum können die Lehrlinge Verkaufsgespräche üben und die Ware kennenlernen. Das Konzept wurde von den Schülern selbst erarbeitet.

Besonders stolz ist Hackenberg auf seinen Verkaufsraum, in dem die Ausbildung praxisnah erfolgen kann. Dort können die Lehrlinge Verkaufsgespräche üben und die Ware kennenlernen. Das Konzept zum Verkaufsraum wurde von den Schülern selbst erarbeitet: „Die Schüler sollten ein Konzept entwickeln, um aus dem Verkaufsraum eine Firma zu machen. Daraus entstand ‚BESCHTE‘, Berufsschule Theresienfeld Elektrohandel.“ 

Das nötige Equipment und die Geräte werden von der Wirtschaftskammer zur Verfügung gestellt. „Ich habe einen guten Kontakt mit der Wirtschaftskammer. Das funktioniert sehr gut. Auch im E-Commerce bin ich sehr gut vernetzt mit ihnen und ich bekomme das ganze Equipment, was ich brauche“, erklärt Hackenberg. Dennoch würde sich Hackenberg mehr Unterstützung von der Industrie wünschen. Für den Berufsschullehrer ist es wichtig, dass die Ausbildung möglichst umfassend und vielfältig ist. So lernen die Lehrlinge in der Berufsschule neben der Führung von Verkaufsgesprächen und sozialen Kompetenzen, beispielsweise auch, wie man sein Smartphone richtig einsetzt. „Warum sollte man das Smartphone im Unterricht nicht einsetzen? Die Schüler verwenden es jeden Tag in der Arbeit. Auch die Themen Augmented Reality und 3D-Technik werden immer wichtiger. Der Kunde geht in Zukunft nur mehr mit dem Smartphone durch das Geschäft und scannt die Artikel ein“, so Hackenberg. 

Der Berufsschullehrer ist dennoch überzeugt, dass der Beruf des Verkäufers auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. „Der Beruf des Verkäufers ist zukunftsträchtig. Der Verkäufer wird aber immer mehr zum Unterhalter. Verkauf ist nur mehr Entertainment. Du musst den Kunden beibringen, was er haben will. Der Kunde kommt nicht mehr her, um einen billigen Fernseher zu kaufen, denn das kann er auf Amazon auch. Der Kunde will Beratung. Der Kunde kommt ins Geschäft, weil ihm fad ist. Warum sonst gehen die Leute am Samstagnachmittag ins Einkaufszentrum? Das muss ich als Händler ausnutzen.“

Unterstützung gefordert

Für den Verkaufsraum, den Hackenberg mit seinen Schülern gestaltet hat, werden immer wieder Utensilien benötigt, um die Ausbildung so praxisnah und zeitgemäß wie möglich zu gestalten. Diese Utensilien sind im besten Fall Geräte – funktionierend oder nicht, Hauptsache man kann damit ein Verkaufsgespräch nachstellen. Auch leere Geräte-Kartons würden die Situation schon vereinfachen. Produkt- oder Firmenschulungen sind auch jederzeit willkommen.

Hackenberg wünscht sich in dieser Hinsicht mehr Unterstützung seitens der Industrie, um seinen Schülern neues „Lehrmaterial“ zur Verfügung stellen zu können. Hersteller, die die Landesberufsschule Theresienfeld hier unterstützen möchten, können gerne mit Wolfgang Hackenberg (unter: wolfgang.hackenberg@lbstheresienfeld.ac.at) in Kontakt treten.

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