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Montag, 29. April 2024
Editor's ChoiceMarktbericht von OTTO Immobilien

„Handel erfindet sich angesichts schwieriger Situation neu“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 07.11.2023 | |  Unter der Lupe
Der aktuelle Marktbericht von OTTO Immobilien zeigt: Der Handel erfindet sich angesichts der schwierigen Situation immer wieder neu, Discounter sowie Luxus-Läden expandieren und Klimafreundlichkeit wird immer wichtiger. Der aktuelle Marktbericht von OTTO Immobilien zeigt: Der Handel erfindet sich angesichts der schwierigen Situation immer wieder neu, Discounter sowie Luxus-Läden expandieren und Klimafreundlichkeit wird immer wichtiger. Der heimische Retailmarkt gestaltet sich heuer „spürbar dynamisch“, wie der aktuelle Marktbericht von OTTO Immobilien zeigt. „Neue Konzepte und steigende Passantenfrequenzen führen den stationären Einzelhandel wieder in ruhigere Fahrwasser – das gilt ganz besonders für die Toplagen“, berichtet Dipl. BW (BA) Anja Mutschler CIS ImmoZert, Teamleiterin Geschäftsflächen bei OTTO Immobilien.

Der stationäre Einzelhandel leide nach wie vor unter den herrschenden Rahmenbedingungen – von gesunkener Kaufkraft über ein verändertes Konsumentenverhalten bis zu Insolvenzen, Verkaufsflächenreduktionen und erhöhten Energiekosten, steht im aktuellen Marktbericht von OTTO Immobilien. Das allerdings habe dazu geführt, dass sich die Retailer, zum Teil zumindest, neu erfinden: sei es mit besonderen Storekonzepten, sei es mit alternativen Nutzungen, Monobrand-Stores oder Entertainment-Welten. Auch neue Player seien am Markt zu finden. „Wieder einmal zeigt sich, dass nichts so konstant ist, wie die Veränderung“, sagt Anja Mutschler.

Das führe zu einer durchaus dynamischen Vermietungssituation: „Vor allem in den Top-Lagen wie dem Goldenen H oder der Kernzone der Mariahilfer Straße können zeitnahe und oftmals lukrative Nachvermietungen gewährleistet und damit längerem Leerstand entgegengewirkt werden. Am stärksten nachgefragt sind Standorte mit überregionaler Anziehungskraft, hoher Passantenfrequenz sowie Lagen mit Verweilqualität“, so Anthony Crow, Msc, Abteilungsleiter Immobilienvermarktung Gewerbe.

Apropos Frequenz: „Es ist davon auszugehen, dass die realen Passantenfrequenzen im Jahr 2023 die 2022 von der WKO publizierten Werte um mindestens 10-20 % übersteigen. Damit liegt das Besucheraufkommen der Wiener Einkaufsstraßen wieder auf dem Niveau vor der Corona-Pandemie und kann im europäischen Vergleich durchaus mit den Werten anderer Metropolen konkurrieren“, beschreibt Martin Denner, Abteilungsleiter Research die aktuelle Situation. Im Fokus des Expansionsgeschehens stehen somit neben den renommierten Einkaufsstraßen neu errichtete Begegnungszonen. Die Dynamik schlägt sich auch in den Mieten nieder: In den A-Lagen ist das Mietniveau stabil, in einzelnen Fällen, insbesondere bei Anmietungen von funktionalen Flächen in beliebten Hotspots, konnten sogar Mietpreissteigerungen erzielt werden. „In Summe lässt sich festhalten, dass sich die Wiener Einkaufsstraßen trotz teils widriger Umstände positiv entwickeln und somit in der nahen Zukunft mit einer spannenden Dynamik zu rechnen ist“, freut sich Mutschler.

Strengere und längere Prüfungsphasen

Eines ist bei Vermietungsprozessen allerdings zu bemerken: Durch die veränderten wirtschaftlichen Marktbedingungen und die hohen Raum- bzw. Baukosten haben sich sowohl die Prüfprozesse der Retailer als auch die Vertragsverhandlungen in der Anmietung deutlich verlängert – unabhängig vom jeweiligen Standort. „Was alle Retailer eint, ist die Tatsache, dass mehr Wert auf eine umfassende Standortanalyse gelegt wird und der Zeitraum der Gesamtabwicklung des Anmietungsprozesses tendenziell länger wird. Gleichzeitig wird in den Mietvertragsvereinbarungen mehr denn je Wert auf konsensfähige Lösungen in Bezug auf flexible Ausstiegsklauseln und Verlängerungsoptionen, Staffel- sowie Umsatzmieten, Baukostenzuschüsse, Pandemie- sowie Kriegsklauseln gelegt“, so Mutschler.

Gleichzeitig entwickeln sich neue, klimafreundliche Geschäftsmodelle und Shopping-Erlebnisse mit dem Ziel, ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit gerecht zu werden. Auch „Green Lease Klauseln“ sind immer öfter Bestandteil der Mietverträge, berichten die Experten von OTTO Immobilien. Die voraussichtlich 2024 in Kraft tretende CSRD-Richtlinie (Corporate Sustainability Reporting Directive) und das in Entwurfsstadium befindliche Lieferkettengesetz sind weitere Treiber dieser Bestrebungen.

Neue Konzepte, neue Anforderungen

Die neuen Konzepte, auf die viele Retailer setzen, haben ebenso Form und Funktion der Shopfläche verändert. „Es sind verstärkt Anmietungen kleinerer Shops mit ebenerdigen Verkaufsflächen und direkt angebundenen Nebenflächen zu beobachten“, sagt Crow. An den am meisten nachgefragten Standorten können zwar weiterhin Großflächen solide nachvermietet werden, in den Nebenlagen jedoch gestalten sich Vermarktungsprozesse bei mehrgeschoßigen Shops oftmals als herausfordernd.

Discounter und Luxus geben den Ton an

Während bei einem Großteil der Retailer der Trend hin zu strategischen Portfoliooptimierungen beziehungsweise Relocations zu erkennen ist, erweisen sich zwei Teilsegmente derzeit als besonders expansiv – die Discounter und das Premium- bzw. Luxury-Segment. Erstere profitieren vom sich verändernden Konsumverhalten und der gesunkenen Kaufkraft, was sich im Ausbau des Standortnetzes niederschlägt. Zweitere wiederum sichern sich weltweit Top-Locations mit dem Ziel, Präsenz zu signalisieren. Dies ist deutlich erkennbar an den geplanten sowie bereits  erfolgten Neueröffnungen hochwertiger Marken in Spitzenlagen der Wiener Innenstadt wie dem Goldenen H oder am Kohlmarkt. Neben diesen beiden Segmenten sind auch weiters verstärkt Monolabels, Produzenten und Hersteller auf Standortsuche.

Handelsflächen gehen zurück

Eine weitere interessante Tendenz ist bereits seit längerem erkennbar und wurde von den Expert:innen von Regioplan Consulting kürzlich analysiert – der Rückgang der Verkaufsfläche: Derzeit stehen je Einwohner zirka 1,56 m² Handelsfläche zur Verfügung, im Jahr 2014 waren es noch 1,77 m². Für Mutschler kein Grund zur Besorgnis: „Wir sind nach wie vor der festen Überzeugung, dass der stationäre Einzelhandel auch weiterhin eine wichtige Rolle in der Gestaltung attraktiver Innenstädte spielen wird. Die aktuellen Gesuche für Neuentwicklungen und Expansionsbestrebungen in den Einkaufsstraßen schaffen Zuversicht für eine positive Entwicklung“.

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