Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Samstag, 27. April 2024
Hot!Wie geht´s weiter bei Loewe?

Exklusiv-Interview mit Matthias Harsch

Hintergrund | Andreas Rockenbauer | 14.08.2013 | | 1  Archiv
Loewe-Chef Matthias Harsch gab elektro.at ein Exklusiv-Interview Loewe-Chef Matthias Harsch gab elektro.at ein Exklusiv-Interview

Aus der Gefahrenzone sei man noch nicht, aber mit der strategischen Partnerschaft mit Hisense hätte man einen entscheidenden Puzzleteil für das Überleben von Loewe gefunden. Das sagte der Vorstandsvorsitzende von Loewe, Matthias Harsch, in einem Exklusiv-Interview zu elektro.at. Lesen Sie hier die wichtigsten Aussagen von Harsch zur Zukunft von Loewe - das komplette Interview erscheint in der Futura-Ausgabe der E&W.

elektro.at: Herr Harsch, in Insiderkreisen wurde Hisense schon seit einigen Wochen als Kaufinteressent gehandelt. Jetzt ist es „nur” eine strategische Partnerschaft geworden. Hätten Sie sich nicht einen strategischen Partner gewünscht, der gleichzeitig auch als Investor dringend benötigtes Geld mitbringt?

Harsch: Wenn man von der Idealvorstellung ausgeht, wünscht man sich natürlich einen strategischen Partner, der gleichzeitig investiert. Das hat man bei Hisense allerdings auch nie ausgeschlossen. Eine solche Lösung war jedoch kurzfristig nicht möglich, weil Hisense ein staatliches Unternehmen ist und die Entscheidung über eine Unternehmensbeteiligung in der kurzen Zeit, die uns zur Verfügung stand, aufgrund der dafür nötigen Genehmigungsverfahren nicht möglich war. Das stand aber schon am Beginn der Gespräche fest. Wir hatten ja nur wenige Monate Zeit und man hat uns Seitens Hisense schon im Mai gesagt, dass man in Zukunft auch als Investor gerne bereit stünde, wenn sich die Partnerschaft gut entwickelt. Aber kurzfristig könne man das Liquiditätsproblem von Loewe nicht lösen.

elektro.at:  Und Sie mussten jetzt zeitnah zumindest eine strategische Partnerschaft präsentieren, um die Stakeholdern mit einer positiven Nachricht zu beruhigen.

Harsch: Gerade ein an der Börse notierendes Unternehmen muss auch nach außen zeigen, dass der Prozess voran geht. Nichts zu sagen wäre ja tödlich. Natürlich hätten wir gerne auch gleich einen Investor präsentiert. Aber ich sag´s mal so: Ob jetzt der strategische Partner auch gleichzeitig der Investor ist, ist das eine Thema. Aber ohne einen strategischen Partner macht das Geschäftsmodell überhaupt keinen Sinn. Also nur einen Investor zu haben, würde das Problem zwar kurzfristig lösen, aber dann ist nach der Krise vor der Krise, mittel- und langfristig wäre damit nichts gewonnen.

elektro.at: Außerdem wäre es vermutlich nahezu unmöglich einen Investor zu finden, ohne einen strategischen Partner im Boot zu haben.

Harsch: Da haben Sie völlig recht. Eben weil es ohne einen strategischen Partner kein tragfähiges Geschäftsmodell gibt. Außerdem muss man bedenken, dass die Zahl der Unternehmen, die als strategische Partner und zugleich als Investoren denkbar sind, ja stark limitiert ist. Das sind ja nur eine Handvoll Unternehmen und eines davon ist Hisense.

elektro.at: Das heißt: Es ist nicht auszuschließen, dass Hisense zu einem späteren Zeitpunkt auch als Investor einsteigt.

Harsch: Auf der Zeitachse gesehen ist das sehr gut möglich, allerdings eben nicht kurzfristig.

elektro.at: Das heißt, die Suche nach einem Finanzinvestor, wird mit Hochdruck fortgesetzt.

Harsch: Es gibt da eine hohe Anzahl an Interessenten, mit denen wir seit Mai entsprechende Gespräche führen. Mit dem strategischen Partner Hisense haben einen wichtigen Teil des Puzzles und jetzt können wir durch das Schutzschirmverfahren einem Finanzinvestor eine gute Basis für einen Einstieg bei Loewe bieten. Schutzschirm klingt nach außen hin sehr dramatisch und hat auch dramatische Wirkung, das möchte ich gar nicht verschweigen. Aber es gibt uns die Möglichkeit Dinge zu lösen, die unter normalen Gesichtspunkten gar nicht lösbar wären in Hinblick auf den Einstieg eines Finanzinvestors.

elektro.at: Das Schutzschirmverfahren darf ja nicht – wie es immer wieder vorkommt – mit einer Insolvenz verwechselt werden.

Harsch: Ja, so ist es. Leider wird das immer wieder verwechselt. Aber damit müssen wir leben. Für uns war es ein ganz wichtiger Schritt, der die Investorensuche stark begünstigt.

elektro.at: Stimmt es, dass Loewe die Distribution der Hisense-Produkte für ganz Westeuropa übernehmen wird?

Harsch: Wir haben versucht eine strategische Partnerschaft aufzubauen, die für beide Seiten eine Win-win-Situation darstellt. Und im Zuge dieser Partnerschaft werden wir das Thema Einkauf, Zugang zu den neuesten Technologien und die Entwicklung von Chipsätzen in Zukunft stark über den großen Partner Hisense abwickeln. Außerdem  werden wir sehen, wie uns ein Unternehmen mit 11.000 Vertriebsleuten auch in China voranbringen kann. Und ein weiterer wichtiger Punkt der Partnerschaft wird sein, wie wir neueste Hisense-Produkte über die Distribution Loewe in Europa ins Ziel bringen.

elektro.at: Loewe hat ja unbestritten in großen Teilen Westeuropas eine hervorragende Distribution.

Harsch: Auf jeden Fall. Ein großer Vorteil liegt ja darin, dass sich die beiden Marken nicht ins Gehege kommen. Damit kann man das Spiel auch in der selben Distribution spielen. Ein Kunde, der ein Loewe-Gerät haben will, wird kaum einen Hisense kaufen, das ist eine andere Zielgruppe.

elektro.at: Als Testmarkt für den Hisense-Vertrieb will man in Österreich starten. Wann soll das sein und warum gerade Österreich?

Harsch: Was den Zeitpunkt betrifft sind wir gerade bei der internen Abstimmung, weil das ja auch ein Thema der Produktverfügbarkeit ist. Denn wir werden nicht unter Ultra-HD anfangen, also mit der neuesten 2K/4K-Technologie einsteigen. Und da gibt es noch ein paar Limitationen, was die globale Verteilung der Ware anbelangt. Österreich als Testmarkt ist deshalb so interessant, weil Loewe eine sehr gute Distribution in Österreich hat und Hisense ist hier nicht aktiv. Damit können wir auf einer einfachen Struktur aufsetzen.

elektro.at: Wann rechnen Sie damit, dass Hisense-Produkte in Österreich über Loewe vertrieben werden?

Harsch: Jedenfalls zur Futura in Salzburg. Die Vorbereitungen wie das Festlegen von Preisen, Konditionen usw laufen bereits auf Hochtouren.

elektro.at: Das heißt, dort werden Hisense-Geräte am Loewe-Stand präsentiert.

Harsch: Genau.

elektro.at: Wie sicher ist der Weiterbestand der österreichischen Loewe-Organisation? Denken Sie angesichts des Spardrucks über eine Zentralisierung nach?

Harsch: Da braucht sich niemand Sorgen zu machen. Ich habe so einen Fehler vor vielen Jahren selbst einmal gemacht, indem ich das Callcenter Zentraleuropa nach München verlegt habe und dann von österreichischen Kunden mitgeteilt bekam, dass man jetzt nicht mehr bestellen würde. Glauben Sie mir, das war mir eine große Lehre.

elektro.at: Das heißt, Sie denken nicht über eine Steuerung der Österreich-Aktivitäten von Deutschland aus nach.

Harsch: So ist es, das steht überhaupt nicht zur Debatte.

elektro.at: Man hört, dass Sie laut über die Ausweitung der Loewe-Distribution Richtung Großfläche nachdenken. Ist das richtig?

Harsch: Ja, das ist richtig. In dieser Frage gibt es für mich nur einen Vorwärtsgang. In ein Geschäftsmodell, das „nur” – und dieses „nur” ist in diesem Fall nicht qualitativ, sondern rein quantitativ zu bewerten – auf der Distribution über den klassischen Fachhandel beruht, der über die Jahre hinweg einen Marktanteilsverlust aufweist, würde kein Investor investieren. Dass der Fachhandel für Loewe auch in Zukunft das Rückgrat der Distribution darstellt, ist jedoch unbestritten. Alles Andere wäre ja Selbstmord. Aber wir müssen schauen, dass wir getrennte Sortimente und Dienstleistungen haben, die es sowohl dem einen als auch dem anderen Distributionskanal ermöglichen, Loewe-Produkte zu verkaufen, so dass das Gesamtkonzept „Premium” stimmig ist.

elektro.at: Das heißt,  Loewe wird in Zukunft Produkte im Einsteigerbereich bringen, die dann verstärkt über die Großfläche verkauft werden.

Harsch: Genau. Eines ist klar, je teurer das Produkt, desto entscheidender ist die Beratung. Ich tu mir ja ein bisschen schwer damit, an der Größe des Marktes die Qualität der Beratung festzumachen. Ich habe viele Storechecks gemacht und es gibt durchaus große Fachmärkte, in denen ich eine hervorragende Beratung erhalten habe und es gibt leider so genannte klassische Fachhändler, wo das nicht so rund war. Für uns ist entscheidend, dass die Produkte erklärt werden.

elektro.at: Wie soll das in der Großfläche funktionieren?

Harsch: Zu diesem Zweck  haben wir eigene Präsentationsinseln entwickelt, die jetzt nach und nach in den Markt kommen werden und die mehr oder weniger selbsterklärend sind. Wo der Kunde mit wichtigen Erstinformationen versorgt wird. Dabei muss natürlich ein markenadäquater Auftritt sichergestellt werden, aber eben auch eine erste Beratung, die dann, wenn der Kunde sich weiter informieren möchte, durch einen kompetenten Verkäufer vertieft werden muss. Das ist speziell für die Flächenmärkte im Entstehen.

elektro.at: Das heißt, Sie schließen nicht aus, dass auch hochpreisige Loewe-Produkte in Zukunft in Fachmärkten verkauft werden, wenn diese die entsprechende Beratungsqualität sicherstellen können.

Harsch: Prinzipiell ist das so, aber das hat natürlich auch Grenzen. Mit Individual und Reference werden wir weiterhin zwei exklusive Produktlinien für den klassischen Fachhandel haben, denn der Verkauf von Premium-Produkten hat ja auch stark mit Service zu tun. Da stellt die Vor-Ort Betreuung des Kunden zu Hause inklusive Installation der Produkte einen ganz wesentlichen Bestandteil des Verkaufs dar. Das ist auch der Punkt, wo sich der Fachhandel in Zukunft noch viel stärker profilieren kann. Service-Kompetenz ist der entscheidende Differenzierungsfaktor zwischen Fachhandelgeschäft und Fachmarkt. Das wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern. Also: Wir bieten dem Fachhandel Exklusivität für gewisse Produktlinien, aber im Einsteiger Premium-Segment gibt es ganz klar Überschneidungen, das lässt sich nicht verhindern. Erklärtes Ziel ist es jedenfalls, dass die erweiterte Distribution über Fachmärkte zusätzliches Volumen schafft und zwar mit neuen Produkten. Sonst hätte das ja keinen Sinn.

elektro.at: Ist die Teilnahme an der IFA zur Diskussion gestanden?

Harsch: Nein, die stand noch nie zur Diskussion.

elektro.at: Was wird man dort zu sehen bekommen?

Harsch: Ein großes Thema ist „my perfect entertainment” – das ist auch unsere Zielvision: Jeder Kunde mit einem gewissen gehobenen Anspruch kreiert sich ganz individuell sein „my perfect entertainment”. Hier werden wir nochmal ganz deutlich darstellen, was das Thema Individualisierung bei Loewe bedeutet, aber auch die Premium-Einstiegsprodukte wie die neuen Art-TVs werden ein wichtiges Thema auf der IFA sein. Außerdem wird „Joy of use”, also Bedienerführung, eine große Rolle spielen. Und dann haben wir noch eine Designwelt als Zukunftsstudie, wo wir im Bereich TV wieder einmal ganz neue Wege gehen – nach dem Motto: „Warum muss Bildschirm und Elektronik immer verknüpft sein”. Die Idee dahinter ist, Elemente zu entkoppeln, um das Gesamtsystem besser und stärker in den Lebensraum integrieren zu können. Design war und wird für Loewe ein ganz entscheidender Differenzierungspunkt bleiben.

elektro.at: Sie haben ja auch immer wieder betont, dass Design eine von den Zukunftsaufgaben von Loewe sein wird.

Harsch: Ja, absolut. Das können wir und dafür wird Loewe auch in Zukunft stehen.

Diesen Beitrag teilen

Kommentare (1)

  1. Spät aber doch…

    Aber hätte man entsprechende Schritte schon früher gesetzt, wären mit Loewe verbundene Unternehmen nicht auch gezwungen worden Insolvenzantrag zu stellen. Dann müsste ich mich jetzt nicht vor dem Arbeitsgericht mit Loewe Anwälten um offene Gehaltsforderungen streiten, weil jahrelang unter Kollektivvertrag bezahlt wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden