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Freitag, 26. April 2024
Von Mensch und Maschine (Teil I)

KI durchdringt den Alltag

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 18.10.2019 | BilderDownloads | |  Wissen
Künstliche Intelligenz durchdringt sukzessive Bereiche unseres Lebens – zum Teil sehr offensichtlich, oft aber auch völlig unbemerkt bei Prozessen unter der Oberfläche. Künstliche Intelligenz durchdringt sukzessive Bereiche unseres Lebens – zum Teil sehr offensichtlich, oft aber auch völlig unbemerkt bei Prozessen unter der Oberfläche. (© Siemens) Künstliche Intelligenz (KI) ist in aller Munde – einerseits zurecht, denn die Entwicklung schreitet rasant voran und immer mehr Bereiche werden ergriffen. Andererseits ist die Technologie alles andere als neu und immer noch weit weniger „intelligent” als die treibenden Kräfte dahinter gerne hätten. Eine Einordnung…

Der Künstlichen Intelligenz attestieren Experten ein Veränderungpotenzial vergleichbar mit der Entdeckung und Einführung des elektrischen Stroms – kurzum eine Revolution in allen Bereichen und Sektoren. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff?

Die Definition von Künstlicher Intelligenz gestaltet sich allein deshalb schwierig, weil sich die Geister schon darüber scheiden, was Intelligenz überhaupt ist. Laut Wikipedia ist Künstliche Intelligenz „ein Teilgebiet der Informatik, welches sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens und dem maschinellen Lernen befasst.” Sie bezeichne im Allgemeinen den Versuch, „bestimmte Entscheidungsstrukturen des Menschen nachzubilden, indem zB ein Computer so gebaut und programmiert wird, dass er relativ eigenständig Probleme bearbeiten kann. Oftmals wird damit aber auch eine nachgeahmte Intelligenz bezeichnet, wobei durch meist einfache Algorithmen ein ‚intelligentes Verhalten‘ simuliert werden soll.” Ähnlich lautet die – an die Formulierung des KI-Pioniers Marvin Minsky aus den 1960ern angelehnte – Definition des Gabler Wirtschaftlexikons: „Künstliche Intelligenz (KI) beschäftigt sich mit Methoden, die es einem Computer ermöglichen, solche Aufgaben zu lösen, die, wenn sie vom Menschen gelöst werden, Intelligenz erfordern.“

Elementare Bestandteile der Künstlichen Intelligenz sind jedenfalls zum einen die Fähigkeit solcher Systeme, selbst zu lernen, dh sich eigenständig weiterzuentwickeln und zu verbessern (weshalb KI oft zusammen mit Begriffen wie „Maschinelles Lernen” oder „Deep Learning” verwendet wird) sowie zum anderen, dass KI-Systeme in der Lage sein müssen, mit Unsicherheit und probabilistischen Informationen umzugehen.

Weitere Unterscheidungen

Intelligenz ist aber nicht gleich Intelligenz – zumindest auf den Menschen bezogen, denn diese lässt sich (nach Wolfgang Wahlster) in die kognitive, sensomotorische, emotionale und soziale Intelligenz unterteilen. Auf den beiden letztgenannten Gebieten können Maschinen heute nur wenig bis gar nichts leisten, während die maschinelle Ausprägung der sensomotorischen Intelligenz schon weiter fortgeschritten ist (etwa die Wahrnehmung von Licht im Infrarot- und UV-Bereich, die Detektion von Gerüchen oder die Verarbeitung von geringen Lautstärken bzw für Menschen unhörbaren Frequenzbereichen in der Akustik) – gegenüber dem Menschen allerdings mit deutlichen Defiziten bei der Fähigkeit, diese Sinneseindrücke zu kombinieren (Sensorfusion). Auf dem Feld der kognitiven Intelligenz ist uns die Maschine heute schon in vielen Bereichen überlegen, etwa bei Spielen wie Schach und Go – so wie potenziell überall, wo es um das Aufnehmen und Erlernen von Wissen, das Kombinieren aus diesem Wissen und das Schlussfolgern aus diesem Wissen geht.

Außerdem lässt sich zwischen starker und schwacher KI unterscheiden. Der starken KI begegnen wir häufig in Science-Fiction Filmen und Dystopien als unbezwingbare, weil überlegene Übermacht. Die schwache KI hingegen soll konkrete Anwendungsprobleme des menschlichen Denkens bewältigen bzw in Einzelbereichen unterstützen – dh intelligentes Verhalten mit Mitteln der Mathematik und der Informatik (in die Praxis übersetzt durch Algorithmen) simulieren. Ergo sind alle heutigen KI-Anwendungen „schwach”.

Drängende Fragen

Die rasante Entwicklung auf dem Gebiet der KI wird von einer immer umfassenderen Ethik-Diskussion begleitet. Beim diesjährigen Europäischen Forum Alpbach meinte etwa der ehem. NEOS-Parteichef Matthias Strolz: „Machine Learning und AI werden Veränderungen ermöglichen, die wir uns heute noch schwer vorstellen können. Aber eine Maschine wird nie eine Seele haben und diesen Unterschied gilt es zu kultivieren.“

Wie „zeitlos” die Ideen der KI sind, zeigt ein Blick in deren Anfänge Mitte des 20. Jahrhunderts: Der Film „The Thinking Machine” des Massachusetts Institute of Technology (MIT) aus dem Jahr 1961 zeigt, dass sich die Denkansätze und Fragestellungen seit jener Zeit nicht grundlegend gewandelt haben (was besonders deutlich wird an dieser kurzen Szene). Das große Hemmnis von damals, die nicht vorhandene bzw unerschwingliche Rechenleistung, ist heute vernachlässigbar und Big Data zur selbstverständlichen Grundlage moderner KI-Anwendungen geworden. Das eigentliche Nadelöhr bilden heute die Daten selbst: Denn einerseits werden enorme Datenmengen benötigt (was sich insbesondere bei persönlichen, unternehmensspezifischen oder sicherheitsrelevanten Daten sehr schwierig gestaltet) und andererseits müssen die Daten „sauber” sein, da sonst ein systemischer Verzerrungseffekt (sog. Bias) auftreten kann. Data Scientist gilt daher für die Zukunft als zentraler Beruf auf diesem Gebiet.

Nationale und internationale Ansätze

Bei der Veranstaltung „Artificial Intelligence – quo vadis?” des CON.ECT-Netzwerks, die kürzlich bei IBM in Wien stattfand, wurde deutlich, dass KI weder ein unkoordinierter Wildwuchs an Anwendungen ist, noch ein Feld, das ausschließlich den großen Techologiekonzernen vorbehalten bleibt. Michael Plachy, Stabstellenleiter im Bundesministerien für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort, verwies in diesem Rahmen auf die „Artificial Intelligence Mission Austria 2030” als Basis einer österreichischen KI-Strategie sowie die Chief Digital Officer-Task Force als koordinierende Plattform (mit sieben Arbeitsgruppen, zB für KI im öffentlichen Sektor oder KI in Wirtschaft und Industrie). Außerdem werden sog. Digital Innovation Hubs eingerichtet, die KMUs bei ihren Digitalisierungsbestrebungen unterstützen und im Q1/2010 starten sollen (zunächst an drei Standorten).

Als typische Einsatzszenarien für KI nannte Plachy (nach Wichtigkeit geordnet) folgende Bereiche:

  1. Conversational Systems (Chatbots, Digital Twins)
  2. Predictive Analytics-Szenarien
  3. Qualitätssteigerung/-kontrolle
  4. Betrugsbekämpfung (Fraud Detection)
  5. Digitale Assistenzsysteme für Entscheidungsvorschläge
  6. Automatisiertes Entscheiden bei Fallbearbeitung

Auf europäischer Ebene wurde im Dezember 2018 der koordinierte Plan „AI made in Europe” für nationale KI-Strategien vorgelegt und eine hochrangige Expertengruppe eingesetzt, die neben Handlungs- und Investitionsempfehlungen im heurigen Frühjahr auch „Ethik-Leitlinien für eine vertrauenswürdige KI” publiziert hat. Darin wurden sieben zentrale Voraussetzungen definiert:

  1. Vorrang menschlichen Handelns und menschlicher Aufsicht
  2. Robustheit und Sicherheit
  3. Privatsphäre und Datenqualitätsmanagement
  4. Transparenz
  5. Vielfalt, Nichtdiskriminierung und Fairness
  6. Gesellschaftliches und ökologisches Wohlergehen
  7. Rechenschaftspflicht

Ein Blick auf den jüngsten Hype Cycle AI von Gartner (siehe Grafik) verdeutlicht, wie vielfältig die Ausprägungen von KI sind – aber auch, dass viele Technologien erst in einigen Jahren zur Marktreife gelangen werden und bis dahin noch das „Tal der Desillusionierung”
zu durchschreiten haben. Betrachtet man die Grafik genauer, so zeigt sich, dass abgesehen von Spracherkennung (Chatbots, Sprachsteuerung, etc), grafischen Anwendungen (wie zB Personenerkennung, Bildbe- und -verarbeitung) sowie Prozessautomatisierung praktisch alles,
was heute bereits thematisiert und gehypt wird, eigentlich noch Zukunftsmusik ist – was im Umkehrschluss bedeutet, dass die aktuellen KI-Anwendungen im Vergleich zu dem, was auf uns zurollt, gerade einmal die Spitze des Eisbergs sind.

Mehr zu den praktischen Einsatzfeldern von KI, für den Fachhandel besonders relevanten Anwendungen sowie den kommenden KI-Schwerpunkten folgt in Kürze.

Auch im FEEI ist KI ein heißes Thema. Mehr dazu finden Sie hier .

Bilder
Der Gartner Hype Cycle AI zeigt, in welchem Stadium sich KI-Anwendungen gerade befinden.
Der Gartner Hype Cycle AI zeigt, in welchem Stadium sich KI-Anwendungen gerade befinden. (© Gartner)
Downloads
Die österreichische KI-Strategie
KI-Definition der EU-Expertengruppe
Die KI-Ethikleitlinien der EU Kommission
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